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Erfurt

Typ: Artikel

Neue Mitte Süd-Ost

Das Luftbild zeigt Großwohnsiedlungen aus den 1970er und 1980er Jahren im Südosten der Stadt Erfurt.

Quelle: Landeshauptstadt Erfurt

Zeitschiene: 2020-2026

Städtebauliche Herausforderungen:
Die drei Großwohnsiedlungen aus den 1970er und 1980er Jahren im Südosten der Stadt Erfurt, der Herrenberg, der Drosselberg und der Wiesenhügel, sind seit Mitte der 1990er Jahre in überdurchschnittlichem Maße von vielfältigen sozialen Problemlagen geprägt. Zu Beginn der 2000er Jahren waren hier infolge hoher abwanderungsbedingter Leerstände umfangreiche Rückbaumaßnahmen im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost erfolgt. Im Ergebnis des Rückbaus und verstärkt durch die Trendumkehr bei der Einwohnerentwicklung haben sich diese Stadtteile inzwischen zwar einwohnermäßig wieder stabilisiert, die soziale Spaltung gegenüber dem übrigen Stadtgebiet hat sich jedoch verschärft. Zudem hat sich der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund seit 2015 mehr als verdreifacht.
Alle drei Stadtteile befinden sich in isolierten topographischen Lagen, was ihre Trennung zum Stadtgebiet weiter verstärkt hat. In Tallage befindet sich der alte, weitgehend intakte, aber mit dem Bau der Großwohnsiedlungen beschnittene und von ihnen umschlossene Ortsteil Melchendorf. Zwischen den Stadtteilen bestehen nur rudimentäre stadtstrukturelle Anknüpfungspunkte. Dieser städtebaulichen Situation geschuldet, hat sich trotz mehrerer vorhandener Stadtteilzentren nicht durchgehend ein klares Bezugssystem der Stadtteile auf ihr jeweils eigenes Stadtteilzentrum herausbilden können.

Ziele des Modellvorhabens:
Mit dem Modellvorhaben soll erprobt werden, wie die bestehenden städtebaulichen und sich verschärften sozialen Missstände in den Großwohnsiedlungen im Erfurter Südosten durch eine grundlegend veränderte Einpassung in das umgebende Stadtgebiet und ihre räumlichen und freiraumplanerischen Bezugssysteme behoben werden können.
Das übergeordnete Ziel besteht darin, der weit verbreiteten sozialen Spaltung innerhalb von Städten mit einem umfassenden Paket städtebaulicher Maßnahmen entgegen zu wirken und diese Stadtteile der sich abgehängt fühlenden benachteiligten Bevölkerung durch Sorgfalt und Wertschätzung wieder zu gleichwertigen Teilen der Stadt werden zu lassen.

Konkret werden folgende Ziele verfolgt:

  • Entwicklung von Modernisierungs- und Anpassungsstrategien für den klimagerechten Umbau,
  • Schaffung von Infrastruktur für neue, zukunftsorientierte Mobilitätsformen,
  • Nachverdichtung und Multifunktionalität im Stadtteil durch Nebeneinander von Sport, Wohnen, Freizeit und Gewerbe und
  • Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Identifikation mit den Stadtteilen.


Geplante Maßnahmen:
Die oben genannten Ziele sollen durch neue hochwertig gestaltete öffentliche Räume mit hoher stadträumlicher- und Aufenthaltsqualität, die eine positive Identifikation und Selbstdefinition der Bewohnerschaft aller vier umgebender Stadtteile ermöglichen, erreicht werden. Folgende Maßnahmen spiegeln exemplarisch diesen Ansatz wider:

Neue Mitte Südost
Aufgrund der topographischen Situation und der kaum vorhandenen städtebaulichen Bezüge der Großwohnsiedlungen untereinander, liegt ein großer Fokus des Modellvorhabens auf der Schaffung einer Neuen Mitte. Über ein Wettbewerbsverfahren soll ein, in räumlichen Abschnitten umsetzbares Konzept für den zentralen, von unterschiedlichen Freiräumen geprägten Bereich, entwickelt werden. Ziel ist es, in der geografischen Mitte des Modellgebiets die angrenzenden Stadtteile stärker miteinander zu verbinden. Die neue Mitte soll sich gleichzeitig als eigenständiger, hochwertig gestalteter öffentlicher Grünraum profilieren. Für die qualitätsvolle Umgestaltung und Aufwertung der Freiräume ist ebenfalls der Umbau der Verkehrsanlagen eine zentrale Voraussetzung.

Nahtstellen
Die Großwohnsiedlungen enden an ihren Rändern abrupt. Diese Bereiche sind freiraumplanerisch nicht gestaltet und werden als Grenze wahrgenommen. Diese "inneren Rückseiten" sollen über verschiedene freiraumplanerische Maßnahmen verbessert werden. Dies sind zum Beispiel die Neugestaltung und Aufwertung von Wegen und Treppenanlagen sowie eine Freiflächengestaltung (zum Beispiel an den Stadtteileingängen).

Soziale Infrastruktur
Im Rahmen der Ergänzung aktivierender sozialer Infrastruktur werden Maßnahmen durchgeführt, die zur Stärkung der Identifikation der Bewohnerschaft mit dem gesamten Erfurter Südosten beitragen und die Überwindung sozialräumlicher Grenzen in den Stadtteilen und mit dem Stadtgebiet unterstützen sollen. So sollen zum Beispiel Jugendhäuser und Stadtteiltreffpunkte, Sportzentren sowie Freiräume, die sich an dem Bedarf von Kindern, Jugendlichen, Familien und dort Wohnenden orientieren, modernisiert werden.

Anpassung an den Klimawandel
Über das Modellvorhaben soll ein typischer DDR-Typenbau sowie öffentliche und sich im städtischen Besitz befindende (Frei)Räume im Modellgebiet an die Folgen des Klimawandels angepasst werden. Für das Gebäude wird ein Konzept zum sommerlichen Wärmeschutz in Verbindung mit der beispielhaften energetischen Modernisierung und Entwicklung neuer Grundrisse erarbeitet. Als separater Bauabschnitt wird die bauliche Umsetzung einer vorgelagerten Laubengangerschließung gefördert, die eine vertikale Begrünung und halböffentliche Räume im Gebäude beinhaltet. Des Weiteren finden gezielte Nachpflanzungen im öffentlichen Raum im Modellgebiet statt, insbesondere von großkronigen Bäumen um Verschattungen zu befördern, die Hitzestress in den Sommermonaten vermindert.

Mobilitätsstationen
An zentralen Orten des Modellgebiets sollen Mobilitätsstationen entstehen, die in unmittelbarer Nähe zu einer Straßenbahnhaltestelle liegen und über Anschlussmöglichkeiten für Ladeinfrastruktur verfügen. An diesen werden den ÖPNV ergänzende Mobilitätsangebote, insbesondere Leihräder, angeboten sowie eine Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Mobilitätsarten geschaffen.