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Nationaler Aktionsplan Integration – Themenforum: Stadtentwicklung und Wohnen

Typ: Artikel

Das Bild zeigt Jugendliche beim Bemalen einer Wand.

Quelle: Benjamin Pritzkuleit

Der Nationale Aktionsplan Integration (NAP-I) der Bundesregierung wird gemeinsam mit Ländern, Kommunen, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und den Migrantenorganisationen in insgesamt 24 Themenforen fort- und weiterentwickelt. Ziel ist es, gemeinsam Ansätze zu entwickeln, die dazu beitragen können, die Integrationspraxis und -politik in verschiedenen Aufgabenbereichen zu stärken. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Federführung für das Themenforum "Stadtentwicklung und Wohnen" in der Phase IV (Zusammenwachsen) übernommen. Das Themenforum ist abgeschlossen. Der Ergebnisbericht des Themenforums wird mit den weiteren Ergebnisberichten der Phase IV sowie einer Erklärung des Bundes, der Länder und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zu einem Phasenbericht zusammengefasst.

Projektlaufzeit: Juli 2019 bis November 2020

Ausgangslage

In dem Themenforum stehen Fragestellungen im Fokus, die sich mit der Wohnraumversorgung von Zuwanderinnen und Zuwanderern und den dauerhaften Integrationsaufgaben der Stadt- und insbesondere der Quartiersentwicklung befassen. Insgesamt wurden in dem Themenforum "Stadtentwicklung und Wohnen" drei Handlungsfelder identifiziert, für die Handlungsansätze und Kernvorhaben entwickelt wurden:

  • Funktion und gesamtstädtische Rolle von Ankunftsquartieren
  • Integrierte Entwicklungsaufgaben in Ankunftsquartieren
  • Umgang mit Zugangshemmnissen auf dem Wohnungsmarkt

Konzept

Im September 2019 fand die Auftaktsitzung des Themenforums in Stuttgart als Bestandteil des 13. Bundeskongresses Nationale Stadtentwicklungspolitik statt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der weitere Beteiligungsprozess online organisiert. Den Input für den Abstimmungsprozess gaben Diskussionspapiere zu den drei Handlungsfeldern, die auf der Basis von Telefoninterviews mit Expertinnen und Experten aus Kommunen, von Quartiersmanagements, aus Wissenschaft, Wohnungswirtschaft und Verbänden erstellt wurden. Im Rahmen der Abschlusssitzung am 23. September 2020 (ebenfalls online) diskutierten und beschlossen die Teilnehmenden die Ergebnisse und Kernvorhaben.

Ergebnisse

Funktion und gesamtstädtische Rolle von Ankunftsquartieren

Menschen, die nach Deutschland ziehen, lassen sich innerhalb von Städten nicht gleichmäßig in den Quartieren nieder. In die Quartiere, in die Zuwanderer überdurchschnittlich häufig ziehen, leben oft bereits überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund, zugleich häufig überdurchschnittlich viele Haushalte mit niedrigen Einkommen, darunter oft Haushalte, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Somit übernehmen Quartiere mit bereits größeren sozialen Aufgaben einen Großteil der städtischen Integrations- und Teilhabeleistungen. Für diese Aufgabe müssen sie entsprechend ausgestattet und qualifiziert werden.

Die kommunalen Erfahrungen zeigen, dass die Ankunftsaufgaben kontinuierlich neu entstehen und sich je nach den Voraussetzungen der Personengruppen auch im Zeitverlauf verändern können. In jedem Fall sind es langfristige Aufgaben, die auch langfristig ausgerichtete Strategien und Zugänge zu Ressourcen erfordern. Die Herangehensweisen und die Umsetzung von Maßnahmen in Ankunftsquartieren sollten auf längerfristig ausgerichteten und gesamtstädtisch abgestimmten Strategien basieren.

Da die Voraussetzungen und jeweiligen Bedarfe unterschiedlich sind und sich verändern können, empfiehlt sich ein Methodenmix, um Bedarfe adäquat zu erfassen. Einfließen sollten Erfahrungen und Rückmeldungen von Personen, die vor Ort bei Trägerinnen und Trägern, in Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, Vereinen oder Einrichtungen tätig sind, ebenso wie von Wohnungsunternehmen mit größeren Beständen in den Quartieren und Quartiersmanagements. Ergänzt werden sollten diese Erfahrungen durch die gezielte Einbindung von Bewohnerinnen und Bewohnern, um soziale Akzeptanz zu sichern.

Als mögliche Maßnahmen werden derzeit beispielsweise koordinierende Aufgaben, aufsuchende Angebote, vermittelnde Aufgaben, vernetzende und Eigenengagement mobilisierende Leistungen und die Umsetzung von Qualitätsstandards in Einrichtungen, Gebäuden und dem öffentlichen Raum diskutiert. Im besonderen Maß entstehen Aufgaben im Kinder- und Jugend-, Bildungs- sowie insgesamt im Sozialbereich, aber auch Aufgaben des Quartiersmanagements.

Entwicklungsstrategien dürfen hier nicht außer Acht lassen, dass es immer auch Bewohnerinnen und Bewohner gibt, die langfristig im Quartier bleiben müssen oder möchten. Deshalb braucht das Thema der Wohnraumversorgung auch auf gesamtstädtischer Ebene ein besonderes Augenmerk, etwa wenn es um den Umgang mit Marktzugangshemmnissen, die Schaffung notwendiger Voraussetzungen zur besseren Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen in den allgemeinen Wohnungsmarkt und die Gewährleistung von Mindeststandards der Wohnverhältnisse geht.

Integrierte Entwicklungsaufgaben in Ankunftsquartieren

Aus Sicht des Themenforums sollten die integrierten Entwicklungsansätze mit einem Fokus auf Teilhabemöglichkeiten und Lebenslagen der Bewohnerschaft ausgerichtet werden. Menschen, insbesondere Neuzuziehende, die auf Unterstützung angewiesen sind oder sich vor Ort neu orientieren müssen, werden am besten über persönliche Kontakte erreicht. Dies erfordert aufsuchende Angebote oder die Schaffung von Anlässen in dem Umfeld, wo die Menschen wohnen und sich aufhalten. Geeignete Kümmerinnen und Kümmerer müssen gefunden, begleitet und idealerweise qualifiziert werden. Empowerment ist hierbei ein wichtiges Thema. Unterstützung oder Beratung wird in unterschiedlicher Art und Weise für unterschiedliche Lebenslagen erforderlich. Dies betrifft z.B. eine angemessene Wohnraumversorgung, gesundheitliche/medizinische, qualifizierende, finanziell unterstützende, verbraucherbezogene oder aufenthaltsrechtliche Themen. Insbesondere Migrantinnen- und Migrantenorganisationen können dazu in beratender oder vermittelnder Funktion einen Beitrag leisten.

Neben einer aufsuchenden und persönlichen Ansprache brauchen Ankunftsquartiere Räume als Treffpunkte, Schulungs- oder Gemeinschaftsräume, in denen Bewohnerinnen und Bewohner miteinander niederschwellig in Kontakt treten können und in denen Beratungs- oder Gruppenangebote für unterschiedliche Zielgruppen vor Ort organisiert werden können. Räume werden daher in unterschiedlicher Größe, Ausstattung und Häufigkeit gebraucht. Es ist sinnvoll, Räume in (Grund)Schulen oder Kindertagesstätten mit zu nutzen, sofern es dafür Kapazitäten gibt und Personen, die Angebote bündeln und koordinieren. Auch der öffentliche Raum hat in Ankunftsquartieren eine wichtige Funktion, da es oft beengte Wohnverhältnisse gibt. Ankunftsquartiere brauchen daher unterschiedliche Möglichkeiten, um im öffentlichen Raum informell zusammenzukommen. Mit der überdurchschnittlich hohen Beanspruchung öffentlicher Räume entstehen auch überdurchschnittliche Abnutzungen. Dies erfordert wiederum ein hohes Maß an Pflege und Sanierungsmaßnahmen.

Darüber hinaus geht es darum, die gegenseitige Offenheit und Akzeptanz von Vielfalt, aber auch Aushandlungsprozesse zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Lebensweisen und Bedarfen, zu fördern und zu begleiten. Die quartiersbezogenen Strategien sollten in gesamtstädtische Strategien der sozialen Integration und Teilhabe eingebettet werden.

Umgang mit Zugangshemmnissen auf dem Wohnungsmarkt

Beim Umgang mit Zugangshemmnissen und Diskriminierungen auf den Wohnungsmärkten zeigt sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Probleme. Viele Herausforderungen für die Wohnraumversorgung von Migrantinnen und Migranten sind an die bestehenden Wohnraumversorgungsengpässe und damit an die Marktsituationen der lokal angespannten Wohnungsmärkte gekoppelt. Zu den Versorgungsengpässen werden bereits auf verschiedenen Handlungsebenen allgemeine Lösungsansätze diskutiert und auch umgesetzt. So zielt die gemeinsame Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen darauf ab, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die Wohnraumversorgung von allen Bevölkerungsschichten zu verbessern.

Neben einem Mangel an erschwinglichem Wohnraum können jedoch auch herkunftsbezogene Probleme beim Zugang zu erschwinglichem Wohnraum bestehen. An die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden sich am häufigsten Menschen wegen Diskriminierungen bei der Wohnungssuche aufgrund herkunftsbezogener Merkmale. Auch die Haushaltssituation von Großfamilien kann nach Erfahrungen einiger Teilnehmenden zu Benachteiligungen führen und dadurch zusammen mit herkunftsbezogenen Merkmalen zu einer intersektionalen Diskriminierung führen. Wenn vermutete Problemmerkmale kumulieren, steigen die Risiken für Benachteiligungen der Wohnungssuche.

Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besteht ein bundesweites gesetzliches Diskriminierungsverbot im zivilrechtlichen Bereich. Bei der Vermietung von Wohnraum gibt es hierbei Einschränkungen zur Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse (§ 19 Abs. 3 AGG). Im Rahmen der Diskussionsprozesse des Themenforums wurde darauf hingewiesen, dass durch die genannten Regelungen des § 19 Abs. 3 und 5 AGG jedoch Risiken von Missbrauch und Fehlinterpretationen bestehen.

Um die Zugangshemmnisse von Migrantinnen und Migranten auf dem Wohnungsmarkt sowie die Risiken für diskriminierende Praktiken der Wohnraumvergabe zukünftig zu verringern, kommen verschiedene Handlungsansätze in Betracht. Die im Themenforum diskutierten Vorschläge beziehen sich auf die Sensibilisierung von Eigentümerinnen und Eigentümern bzw. Vermieterinnen und Vermietern, auf eine verstärkte Nutzung kommunaler Vereinbarungen mit Wohnungsunternehmen, auf die Optimierung kommunaler Vergabepraktiken von Wohnraum, auf rechtliche Klärungs- bzw. Präzisierungsbedarfe, auf eine flächendeckende Beratungsstruktur sowie auf bessere Informationsgrundlagen für Wohnungssuchende und -anbietende.

Kernvorhaben

Im Themenforum wurden vier Ideen für Kernvorhaben entwickelt, die die aufgeführten Handlungsempfehlungen aufnehmen und so die kommunale Integrations- und Teilhabepolitik an den Schnittstellen zur Stadtentwicklung weiterentwickeln sollen:

  • Forschungsprojekt zur Überprüfung der Einbindung des Handlungsfeldes Migration/Integration/Teilhabe in den integrierten Konzepten der Stadtentwicklung
  • Leitfaden "Stärkung der Integration und Teilhabe - Erfolgsfaktoren bei der Planung und Umsetzung sozialer Infrastruktureinrichtungen"
  • Stärkung des interkulturellen Dialogs, der demokratiestärkenden Bildung und der Teilhabe in Quartieren des Städtebauförderungsprogramms "Sozialer Zusammenhalt"
  • Informationsangebot für zugewanderte Menschen und Beratungsstellen zum Thema Wohnen verbreitern

Die Berichte zum Nationalen Aktionsplan Integration sind auf der Internetseite www.nationaler-aktionsplan-integration.de abrufbar.

Auftragnehmer

empirica ag, Bonn