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Gemeinsame Evaluierung der Programme Stadtumbau Ost und Stadtumbau West

Typ: Artikel

Das Bild zeigt mehrere Straßenzüge aus der Vogelperspektive.

Quelle: BBSM

Mit den Städtebauförderungsprogrammen Stadtumbau Ost und Stadtumbau West wurden 2002 bzw. 2004 zwei Bund-Länder-Programme aufgelegt, um Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen, städtebaulichen Funktionsverlusten zu begegnen, die aus dem strukturellen Wandel resultieren. Die gemeinsame Evaluierung hatte die Städtebauförderungsprogramme Stadtumbau Ost und Stadtumbau West vergleichend zu untersuchen und aufzuzeigen, inwieweit beide Programme künftig zu einem qualitativ aufgewerteten Stadtumbauprogramm zusammengeführt werden können. Die Laufzeit der Programmevaluierung erstreckte sich von Anfang 2015 bis Mitte 2016, im Anschluss erfolgte die Erstellung der Publikation der Evaluierungsergebnisse und ihre Veröffentlichung im Vorfeld der Stadtumbaukonferenz im Rahmen des 11. Nationalen Stadtentwicklungskongresses in 2017. Ein Expertenkreis unter Vorsitz von Prof. Dr. Beckmann, ehemaliger Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) begleitete den Evaluierungsprozess.

Konzept

Angesichts der Komplexität beider Stadtumbauprogramme galt es, für das Evaluierungskonzept eine stringente Forschungssystematik, klare inhaltliche Schwerpunkte sowie ein geeignetes methodisches Instrumentarium zu entwickeln. Die Evaluierung der Stadtumbauprogramme erfolgte nach dem übergreifenden Konzept für die Evaluierung von Programmen der Städtebauförderung auf vier zentralen Untersuchungsebenen:

Darstellung der Untersuchungsebenen zur Evaluierung Quelle: Weeber+Partner mit InWIS Darstellung der Untersuchungsebenen zur Evaluierung

Das Untersuchungsdesign bestand aus einem Mix unterschiedlicher Methoden, um die Vielfalt der Problemlagen und Herausforderungen auf den verschiedenen Ebenen der Stadtentwicklung, das breite inhaltliche Spektrum beider Stadtumbauprogramme und ihrer Wirkungen hinreichend abbilden zu können. Inhaltlich gliederte sich die Evaluierung in drei wesentliche Bestandteile: die vergleichende Evaluierung beider Programme, die Abschätzung des künftigen Stadtumbaubedarfs sowie Vorschläge für eine künftige Programmausgestaltung. Aufgrund der Flüchtlingszuwanderung 2015/2016 wurde die Evaluierung um einen Baustein zu möglichen Auswirkungen dieser Entwicklungen auf den Stadtumbauprozess ergänzt. Das Evaluierungsgutachten beinhaltet zudem die Ergebnisse der Ergänzungsstudie zu "Klimaschutz und Klimaanpassung im Stadtumbau" (Empirica/MUST).

Zentrale Ergebnisse und künftige Bedarfe

Die Städtebauförderungsprogramme Stadtumbau Ost und Stadtumbau West haben sich bewährt. Sie erweisen sich als erfolgreich wirkende Förderinstrumente für Städte und Gemeinden. Der Bund stellte dafür bis einschließlich 2015 inzwischen mehr als 2,4 Mrd. Euro an Finanzhilfen bereit, fast 1,6 Mrd. Euro für Stadtumbau Ost und fast 850 Mio. Euro für Stadtumbau West. Diese Finanzhilfen werden durch Länder und Kommunen in der Regel kofinanziert und sehr häufig durch weitere öffentliche und private Investitionen ergänzt.

An den Stadtumbauprogrammen nehmen alle Bundesländer teil. Bis Ende 2014 wurden Stadtumbaumaßnahmen in inzwischen 953 Kommunen gefördert; 480 im Stadtumbau Ost und 472 im Stadtumbau West sowie Berlin, das aufgrund seiner Besonderheit beide Programme nutzt. Seit ihrem Start 2002 bzw. 2004 haben sie durch die eingesetzten finanziellen Mittel und die damit umgesetzten Stadtumbaumaßnahmen jeweils erheblich dazu beigetragen, sehr spezifische und unterschiedliche städtebauliche Folgen des strukturellen Wandels in den bisher beteiligten Kommunen in Ost und West zu mildern oder zu beseitigen.

Durch städtebauliche Aufwertungen in Stadt- und Ortskernen sowie unterschiedlichen Wohnquartieren, durch Revitalisierungen und Wiedernutzungen ehemals industriell, gewerblich, verkehrlich oder militärisch genutzter Standorte, durch quantitative und qualitative Anpassungen vor allem öffentlicher und sozialer Infrastrukturen und nicht zuletzt durch eine umfassende Leerstandsbeseitigung bei Wohnungsbeständen, Infrastruktureinrichtungen und zahlreichen weiteren Immobilien gingen wichtige Signale für die Zukunftsfähigkeit der vom Strukturwandel betroffenen Städte, Gemeinden und Quartiere aus.

Der Stadtumbau in den Kommunen basiert weitgehend auf einer gesamtstädtisch begründeten Entwicklungsstrategie und hat umfassende Kommunikations- und Kooperationsprozesse lokaler Akteure sowie weitere öffentliche und private Finanzierungen ausgelöst.

Beide Programme zielen auf die funktionale Stärkung und städtebauliche Aufwertung von Innenstädten und Ortskernen, um die entstandenen städtebaulichen Funktionsverluste, vor allem den Leerstand von Wohnungen aber auch von anderen stadtbildprägenden Immobilien abzubauen. Während die Revitalisierung von Militär-, Handels- und Verkehrsbrachen ein zentraler Schwerpunkt im Stadtumbau West ist, richtet sich der Fokus im Stadtumbau Ost besonders auf Wohnquartiere und Wohnsiedlungen und zielt dort vor allem auf die Beseitigung des hohen Wohnungsleerstands in enger Verbindung mit Bestandsqualifizierungen und Aufwertungsprozessen sowie der Anpassung städtischer Infrastrukturen.

Auslösend für den Stadtumbau Ost war der durch die demografische Entwicklung entstandene strukturelle Wohnungsleerstand in den ostdeutschen Ländern. Durch das Städtebauförderungsprogramm konnte der Wohnungsleerstand dort deutlich verringert werden, indem rund 330.000 Wohnungen - teils flankiert durch Landesprogramme - abgerissen oder zurückgebaut wurden (Stand 2015).

Angesichts des fortschreitenden Strukturwandels wie auch sich verändernder gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen zeichnet sich für die kommenden Jahre ein wachsender Stadtumbaubedarf ab:

  • In Ost- wie Westdeutschland sind weitere städtebauliche Funktionsverluste und Missstände in innerstädtischen Bereichen bzw. zentralen Versorgungskernen zu erwarten oder bestehen fort. Die Nutzung und Aufwertung von Gebäudebeständen und öffentlichen Räumen bleiben wichtige Aufgaben zur Funktionsstärkung zentraler Bereiche.
  • Absehbar stehen weitere teils großflächige Brachen zur Entwicklung an, z.B. entstehen Militärbrachen durch die Aufgabe oder Verkleinerung von Standorten im Rahmen der Bundeswehrreform oder den Abzug der Alliierten. Ebenso ist mit weiteren Bahn-, Industrie- und Handelsbrachen (z.B. große Kaufhausstandorte) zu rechnen.
  • Es zeichnet sich ein weiterer Anstieg von Wohnungsleerstand vor allem in Ostdeutschland, aber auch in Teilräumen Westdeutschlands ab. In schrumpfenden, vor allem ländlich geprägten Räumen, wird dieser auch weiteren geförderten Rückbau erforderlich machen.
  • Stadtumbau braucht dafür auch künftig starke wohnungswirtschaftliche Partner, insbesondere der organisierten Wohnungswirtschaft. Unverzichtbar bleibt die Gewinnung privater Einzeleigentümer für den Prozess des Stadtumbaus. Deren Mitwirkung an Maßnahmen zur Beseitigung städtebaulicher und wohnungswirtschaftlicher Probleme und die Mobilisierung privater Investitionen in die Gebäude- und Wohnungssubstanz haben neben dem zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln in öffentliche Räume und Infrastrukturen dabei hohe Priorität.
  • Der Stadtumbau wird weiterhin auf die Beseitigung oder Vermeidung von Leerständen und Überkapazitäten im Bereich sozialer Infrastruktur zielen und zunehmend auch zur Anpassung verkehrlicher und technischer Infrastrukturen beitragen müssen.
  • Der Stadtumbau hat sich künftig intensiver mit den aus Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung resultierenden städtebaulich und baulich relevanten Anforderungen auseinanderzusetzen. Im Sinne einer integrativen Stadtentwicklung sind deshalb die Maßnahmen im Stadtumbau deutlich stärker auch daran auszurichten und mit energetischen Quartierskonzepten und Klimakonzepten zu verzahnen.
  • Die Zuwanderung von Flüchtlingen ist eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Sie birgt zahlreiche Chancen, auch für die Entwicklung strukturschwacher Räume. Die Evaluierung zeigt aber, dass sich bei hoher Zuwanderung der Leerstand von Wohnungen in den ostdeutschen Ländern zwar verringern lässt, jedoch nach wie vor umfangreiche Rückbauerfordernisse bestehen, weil die Regionen innerhalb Deutschlands in unterschiedlichem Maße an dem Bevölkerungszuwachs teilhaben.

Vorschläge zur künftigen Programmausgestaltung

Für ein künftig gemeinsames Stadtumbauprogramm spricht vor allem, dass sich Problemlagen, städtebauliche Funktionsverluste und Missstände in den Fördergebieten in Ost und West trotz unterschiedlicher Ursachen und Ausprägungen bereits heute ähneln. Dafür spricht auch, dass die sich ausdifferenzierenden Entwicklungen in der Bundesrepublik künftig nicht mehr allein einer Dichotomie von Ost und West folgen werden, sondern sich verstärkt hinsichtlich Schrumpfungs- und Wachstumsprozessen unterscheiden, auch wenn sich diese bisher in unterschiedlicher Dimension in Ost und West, aber zugleich auch innerhalb einzelner Länder bemerkbar machen.

Darüber hinaus sind die Strategien und Stadtumbaumaßnahmen in beiden Programmen inzwischen vergleichbar. Unterschiede ergeben sich noch hinsichtlich der Förderkonditionen durch Bund und Länder für besondere Herausforderungen, wie sie bisher allein dem Stadtumbau Ost zugeschrieben wurden. Da hierbei von weiterem Bedarf auszugehen ist, ist dies auch im gemeinsamen Programm zu berücksichtigen.

Aus dem Strukturwandel ergeben sich regional und lokal sehr unterschiedliche Handlungserfordernisse und immer wieder neue Herausforderungen, daran ist das Stadtumbauprogramm auszurichten. Die Programmatik muss deshalb durch ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit charakterisiert sein. Ein gemeinsames Stadtumbauprogramm wäre in diesem Sinn auch als ein Städtebauförderungsprogramm zur Anpassung an den demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandel auszugestalten.

Das Spektrum förderfähiger Maßnahmen hat sich bisher als passgerecht erwiesen und ist auch ausreichend flexibel, um künftigen Herausforderungen und dem daraus in den Kommunen und Fördergebieten ableitbaren Stadtumbaubedarf gerecht zu werden. Eine Ergänzung von Fördertatbeständen im gemeinsamen Stadtumbauprogramm scheint nicht notwendig, eine Einschränkung allerdings ebenfalls nicht.

Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimafolgenanpassung wie auch ein stärkerer Barriereabbau sind als Querschnittsthemen der Städtebauförderung insgesamt seit längerem verankert. Insbesondere bei Maßnahmenplanungen für die Aufwertung öffentlicher Räume und das Wohnumfeld, die Bestandsqualifizierung von Wohn- und öffentlichen Gebäuden sowie die städtische Infrastruktur müssen diese Themen ein noch stärkeres Gewicht erhalten.

Der ostdeutsche Wohnungsmarkt weist flächenhaft einen hohen und tendenziell steigenden strukturellen Wohnungsleerstand in unterschiedlichen Quartieren und Beständen auf. Deshalb bleibt die Beseitigung von Leerstand - auch durch Abriss und Rückbau - eine der großen Stadtumbauherausforderungen. Daher sollte die spezifische Förderung für den Rückbau strukturellen Wohnungsleerstands fortgeführt werden. Auch wenn sich in Teilregionen Westdeutschlands wachsender Leerstand abzeichnet, ist ein struktureller Wohnungsleerstand in dieser Intensität und Verbreitung dort kaum zu erwarten. Unter vergleichbaren Rahmenbedingungen sollte jedoch eine entsprechende Förderung ebenfalls möglich sein.

Um die dringend nötige Bestandsqualifizierung von Altbauten in Kommunen mit schwierigen Rahmenbedingungen zu unterstützen, sollten die besonderen Förderregelungen des Stadtumbaus Ost, die zu Erfolgen in der Innenstadtentwicklung und bei der Bewahrung historischer Stadtstrukturen beigetragen haben, in das gemeinsame Programm eingehen und ost- wie westdeutschen Kommunen zur Verfügung stehen. Zur Bestandsqualifizierung von Altbauten sollten außerdem weitere Förder- bzw. Anreizinstrumente stärker genutzt werden, beispielsweise die Wohnraumförderung der Länder, die eine Investitionshilfe bieten kann, um Aufwertungsprozesse in Gang zu setzen.

Mitentscheidend für eine erfolgreiche Fortsetzung des Stadtumbaus ist es, zielführende Anreizinstrumente zu schaffen, um vor allem private Immobilieneigentümer in den Fördergebieten für eine aktive Mitwirkung zu gewinnen. Demnach sind insbesondere auch die Zusammenhänge mit den wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Förderinstrumenten wichtig. Der Stadtumbau konzentriert sich hier vor allem auf die Situation in schwachen Märkten, in denen - neben der erforderlichen Rückbauförderung ohne kommunalen Eigenanteil - wohnungswirtschaftliche Investitionen im Stadtumbaukontext und zur Sicherung städtebaulicher Ziele häufig einer gezielten zusätzlichen Förderung bedürfen. Um insbesondere für schwierige Wohnungs- und Gebäudebestände Investitionsprozesse überhaupt erst in Gang zu setzen und - durch die Übernahme oder Abfederung unrentierlicher Kostenanteile - die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Maßnahmen zu verbessern, ist eine zusätzliche Investitionsförderung sinnvoll.

Im bisherigen Programmverlauf hat sich die Reichweite der Programme sukzessive erhöht. In den nächsten Jahren könnten weitere Kommunen programmrelevante Entwicklungen nehmen. Darüber hinaus sind in bereits beteiligten Kommunen schon heute weitere Fördergebiete ausgewiesen bzw. in Planung, für die eine Programmbeteiligung angestrebt wird.

Publikation

Das Evaluierungsgutachten ist in gemeinsamer Herausgeberschaft von BMUB und BBSR publiziert worden. Es lassen sich die strukturierte Vorgehensweise, die komplexen Evaluierungsinhalte sowie die zentralen Erkenntnisse und Empfehlungen darin nachlesen.

Auftragnehmer

Weeber+Partner, Institut für Stadtplanung und Sozialforschung
W+P GmbH Berlin/Stuttgart
Dr. Martina Buhtz, Dr. Heike Gerth, Stephanie Marsch, Simone Bosch-Lewandowski
Emser Straße 18
10719 Berlin
Telefon: +49 (0) 30 8616424
E-Mail: wpberlin@weeberpartner.de
Weeber+Partner, Institut für Stadtplanung und Sozialforschung

InWIS Forschung & Beratung GmbH
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