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Das Bild zeigt einen Blick in die Turmstraße. Quelle:Plan und Praxis Berlin

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Lebendige Zentren , Datum: 13.09.2021

Revitalisierung stadtbildprägender Gebäude im Stadtteilzentrum Berlin-Turmstraße

Das Fördergebiet Turmstraße im dicht besiedelten Ortsteil Moabit in Berlin-Mitte ist Wohn- und Versorgungsstandort und ein wichtiges Stadtteilzentrum. Kern des Gebietes ist eine traditionelle Geschäftsstraße, in der sich neben kleinteiligem Einzelhandel auch Großstrukturen wie Kaufhäuser, ein Einkaufszentrum, denkmalgeschützte Schulgebäude, sowie weitere prägende und historische Gebäude befinden. Das Gebiet steht vor städtebaulichen und wirtschaftsstrukturellen Herausforderungen, weshalb es in das Programm aufgenommen und als Sanierungsgebiet festgesetzt wurde. Ziel der Gesamtmaßnahme ist die Weiterentwicklung des Standorts als nutzungsgemischter Einkaufs- und Versorgungsstandort. Ein Handlungsschwerpunkt ist die Revitalisierung der untergenutzten stadtbildprägenden großen Gebäude. Flankiert wird dies durch die Aktivierung und Vernetzung privater und öffentlicher Akteure, durch die Schaffung attraktiver öffentlicher Räume für alle Bevölkerungsgruppen im Quartier sowie die Stärkung kultureller und öffentlicher Einrichtungen.

Eckdaten

Land

Berlin

Bevölkerung (Gemeinde)

3,7 Millionen

Gebietsgröße

81,6 Hektar

Bundesfinanzhilfen

950.000 Euro (2020 in Lebendige Zentren)
8,3 Millionen Euro (2008-2019 in Aktive Stadt- und Ortsteilzentren)

Gebietstypus

Mischgebiet, Stadtteilzentrum, überwiegend Gründerzeit und 1950-1960er Jahre

Schwerpunktthemen

  • Soziale Infrastruktur
  • Denkmalschutz / Baukultur
  • Lokale Wirtschaft

Instrumente

  • Bürgerbeteiligung
  • Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept
  • Zentrenmanagement/ Geschäftsstraßenmanagement
  • Aktivierung Privater

Kontext

Das Fördergebiet Turmstraße befindet sich am westlichen Innenstadtrand von Berlin im Stadtbezirk Mitte, Ortsteil Moabit. Die städtebauliche Struktur ist durch eine gründerzeitliche Bebauung mit 5-6 geschossigen Gebäuden, Bauten der frühen Industrialisierung und der Wiederaufbaujahre gekennzeichnet. Das dicht besiedelte Gebiet ist multikulturell geprägt.

Durch das Fördergebiet verläuft die Turmstraße – eine traditionelle Geschäftsstraße, die mit ihren Handels- und Dienstleistungseinrichtungen, den gesundheitsbezogenen Angeboten sowie den öffentlichen Freiräumen eine wichtige Versorgungsfunktion für die Bewohnerinnen und Bewohner innehat. Die Grünräume sind durch ihre direkte Lage zur Geschäftsstraße und durch ihre Größe ein besonderes Merkmal für das Gebiet. Die Geschäftsstraße weist eine hohe Dichte von stark fluktuierenden Discountern und Filialisten in den Erdgeschosszonen auf und ist gleichzeitig durch teils untergenutzte stadtbildprägende große Bauten gekennzeichnet. Dies sind ehemalige Kaufhäuser, eine historische Markthalle, die einstige Schultheiss-Brauerei, das alte Krankenhaus Moabit, ein früheres Postgebäude sowie mehrere denkmalgeschützte einstige Schulgebäude. Die Attraktivität als Einkaufsstraße sank seit den 1970er Jahren stetig, zuletzt durch die Schließung des Hertie-Kaufhauses im August 2009. Auch die Neueröffnung von Einkaufszentren in angrenzenden Stadtteilen und unmittelbar im Gebiet schwächten den Versorgungsstandort. Das Quartier entwickelte ein relativ schlechtes Image in der Bevölkerung. Diesem Negativtrend konnte durch die Maßnahmen im Programm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren (2008 bis 2019) und die parallele Ausweisung als Sanierungsgebiet entgegengewirkt werden. Seit 2020 wird das Gebiet im Programm Lebendige Zentren weiter gefördert.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Das Bild zeigt im Vordergrund den umgestalteten Kleinen Tiergarten. Im Hintergrund das ehemalige Hertie-Kaufhaus. Das Bild zeigt im Vordergrund den umgestalteten Kleinen Tiergarten. Im Hintergrund das ehemalige Hertie-Kaufhaus. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Plan und Praxis Berlin Blick auf das ehemalige Hertie-Kaufhaus aus dem umgestalten Kleinen Tiergarten

Ziel der Maßnahme ist die Erhaltung, Stabilisierung und Weiterentwicklung der Vielfalt der Turmstraße und ihres Umfeldes als Ort zum Wohnen und Arbeiten, als Einkaufs- und Dienstleistungsstandort, als Ort der Versorgung mit sozialer und medizinischer Infrastruktur, mit Kultur- und Freizeitangeboten sowie als Ort der Kommunikation und der Identifikation mit dem Stadtteil. Handlungsgrundlage ist ein Integriertes Maßnahmen- und Entwicklungskonzept aus dem Jahr 2010, das auf den Vorbereitenden Untersuchungen (VU) basiert. Die Fortschreibung wurde 2020 beschlossen, erfolgt für Teilgebiete aber kontinuierlich. Außerdem fußen die Planungen in der Geschäftsstraße auf einem Geschäftsstraßenkonzept, das 2013 verfasst und 2020 fortgeschrieben wurde. Das Konzept fokussiert Handel, Dienstleistungen, Gastronomie sowie die Potenziale der Erdgeschosszonen und richtet sich an Immobilieneigentümer, Gewerbetreibende und Projektentwickler. Zentrale Vorhaben der Gesamtmaßnahme sind die Stärkung der Einzelhandelsstruktur (Revitalisierung untergenutzter Flächen und Gebäude), die Schaffung von Identifikationsorten durch Gestaltung und Nutzung denkmalgeschützter und städtebaulich markanter Gebäude, die Qualifizierung öffentlicher Räume sowie die Ertüchtigung der sozialen Infrastruktur. Durch einen Gebietsfonds werden kleinere Projekte unterstützt. Das Kiezfest wird seit 2013 jährlich durch lokale Akteure als Markt mit Kunst- und Kulturprogramm durchgeführt und hat zur Identitätsbildung vor Ort und zur Imageaufwertung in der Außenwahrnehmung beigetragen. Ein Begrünungsprogramm leistet im dicht besiedelten Gebiet einen Beitrag zum Klimaschutz. Im Jahr 2021 wurde wegen des uneinheitlichen Stadtbildes und zur aktivierenden Ansprache der Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden und Geschäften eine Gestaltungsfibel erarbeitet.

Zentrale Querschnittsaufgabe ist die Intensivierung der kooperativen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Finanziert mit Mitteln des Zentrenprogramms wurden ein externes Büro mit dem Prozessmanagement beauftragt und ein Geschäftsstraßenmanagement eingerichtet. Während der Prozesssteuerer die Verwaltung bei der Umsetzung des gesamten Entwicklungsprozesses unterstützt, widmet sich das Geschäftsstraßenmanagement gezielt der Stärkung der Handelsfunktion des Versorgungsstandorts. In diesen Funktionen fördern diese Institutionen seit vielen Jahren kontinuierlich die Kommunikation zwischen den Akteuren, koordinieren Projekte und begleiten Maßnahmen durch Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Internetauftritt, Stadtteilzeitung). Dadurch wurden Maßnahmen vor Ort unterstützt und stetig Ideen für eine positive Gebietsentwicklung eingebracht.

Meilensteine

  • 2008 Aufnahme in das Programm "Aktive Stadt- und Ortsteilzentren"
  • 2010 Abschluss der Vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 141 BauGB und Beschluss des integrierten Maßnahmen- und Entwicklungskonzepts
  • 2010 Einrichtung der Prozesssteuerung und des Geschäftsstraßenmanagements
  • 2010 Einrichtung eines Gebietsfonds
  • 2011 Festlegung als Sanierungsgebiets gemäß § 142 BauGB
  • 2011-2017 Umgestaltung Kleiner Tiergarten/Ottopark
  • 2013 Ausarbeitung des Geschäftsstraßenkonzeptes
  • 2012-2013 Umbau des ehemaligen Kaufhauses in der Turmstraße/Ecke Stromstraße
  • 2014-2018 Erstellung einer Nutzungskonzeption für den Kultur- und Bildungsstandort Turmstraße 75 (Brüder-Grimm-Haus) mit intensivem Beteiligungsverfahren
  • 2015 Einrichtung Begrünungsprogramm für Höfe, Vorgärten, Baulücken, Brachen, Dächer, Fassaden und Brandwände
  • 2016 Festlegung mehrerer Teilflächen des Fördergebiets als soziales Erhaltungsgebiet
  • 2017 Umbauarbeiten an den Einmündungsbereichen der Turmstraße
  • 2020 ISEK-Fortschreibung mit intensiver Bürgerbeteiligung
  • 2018 Fertigstellung der Umgestaltung des Umfeldes der Arminius-Markthalle
  • 2021 Herausgabe eines Gestaltungsleitfadens (Gestaltfibel Turmstraße)
  • 2021 Planfeststellungsbeschluss Straßenbahnneubaustrecke bis U-Bahnhof Turmstraße
  • 2021 Fortschreibung Geschäftsstraßenkonzept

Besondere Aspekte der Quartiersentwicklung

Eine besondere Herausforderung der Quartiersentwicklung entlang der Turmstraße ist der Umgang mit stadtbildprägenden großen Gebäuden, deren ursprüngliche Nutzungen nicht mehr aufrechterhalten werden konnten. Dazu gehört das ehemalige Hertie-Kaufhaus, die einstige Schultheiss-Brauerei, das alte Krankenhaus Moabit, ein früheres Postgebäude sowie mehrere denkmalgeschützte einstige Schulgebäude. Bei der Umnutzung der stadtbildprägenden großen Gebäude war die kooperative Zusammenarbeit von öffentlichen Akteuren aus Politik und Verwaltung mit privaten Akteuren, darunter insbesondere private Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer sowie die breite Öffentlichkeitsarbeit von entscheidender Bedeutung. Die Prozesssteuerung im Gebiet sowie das Geschäftsstraßenmanagement haben eine wichtige Rolle bei der Vermittlung und Beteiligung dieser verschiedenen Akteure inne. Mit gezielt eingesetzten Beteiligungsformaten, wie etwa persönlicher Ansprache (z.B. regelmäßige Frühstücke mit den lokalen Gewerbetreibenden), Informationsveranstaltungen, Informationsmaterialien (z.B. Stadtteilzeitung), Veranstaltungen (z.B. Stadtteilfeste) oder Workshops wurden Beteiligte vernetzt und die jeweiligen Bedarfe eingebunden.

Das Hertie-Warenhaus war für 50 Jahre ein wichtiger Anker der lokalen Versorgung und Identifikation. 2009 wurde der Standort geschlossen und fiel brach. Durch einen privaten Investor wurde das Gebäude 2012 entwickelt, indem es entkernt und die ehemalige großflächige Warenhausarchitektur an die geplante multifunktionale Nutzungsstruktur angepasst wurde. Seit 2013 sind auf drei Verkaufsetagen mit getrennten, von der Straßenebene zugänglichen Ladenflächen unter anderem eine Drogerie, Gastronomiebetriebe, die Servicestelle einer Krankenkasse, ein Bekleidungsgeschäft sowie ein Fitnessstudio als Mieter untergebracht. Zusätzlich entstanden Wohn- und Büroflächen. Die Planungen für den Umbau des Hertie-Gebäudes wurden mit dem Geschäftsstraßenmanagement abgestimmt und gemeinsam mit der lokalen Gewerbevereinigung "Turmstraßen-Initiative-Moabit" diskutiert. Die Revitalisierung leistete einen wichtigen Beitrag für das Erscheinungsbild und die Belebung der Geschäftsstraße und auch für die Dienstleistungs-, Gastronomie- und Handelsbetriebe im Umfeld.

In Planung und Entwicklung ist die Sanierung und Weiterentwicklung eines ehemaligen Schulgebäudes zu einem Kultur- und Bildungsstandort. Das sog. Brüder-Grimm-Haus wird bereits durch Volkshochschule, Musikschule und eine kommunale Galerie genutzt, hat jedoch erheblichen Sanierungsrückstau aufzuweisen und ungenutzte Potenziale (Nutzervernetzung, Nachfrage). In einem mit Städtebaufördermitteln unterstützen breiten Dialog- und Beteiligungsverfahrens mit Informationsveranstaltungen, Workshops sowie einem eigens gegründeten Beirat wurde zwischen 2015 und 2017 eine Nutzungskonzeption erstellt. Finanziert mit Haushaltsmitteln des Bezirks Berlin-Mitte wird nun ein modernes Sanierungs- und Raumkonzept umgesetzt, das die vielfältigen Bevölkerungsgruppen im Quartier einladen und die vorhandenen Nutzungen untereinander sowie mit weiteren Angeboten vernetzen soll. Für die Öffentlichkeitsarbeit werden zukünftig weiter Städtebaufördermittel eingesetzt.

Das Bild zeigt die Außenfassade des Brüder-Grimm-Haus. Das Bild zeigt die Außenfassade des Brüder-Grimm-Haus. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Plan und Praxis Berlin Brüder-Grimm-Haus in der Turmstraße 75

Eine weitere Herausforderung im Fördergebiet ist die Nachnutzung des ehemaligen Areals des Krankenhauses Moabit. Das Stadtplanungsamt Mitte ist gemeinsam mit den externen Gebietsbeauftragten im Rahmen der Städtebaufördermaßnahme in die Ideenentwicklung gegangen. Durch intensive Vermittlung zwischen den vielfältigen Akteuren und Interessen (u.a. Landesimmobiliengesellschaft, Justizverwaltung und Bildungsverwaltung auf Landesebene, Verwaltungsressorts des Bezirks) wurde ein Kombinationsbau aus bezirklicher Mittelpunktbibliothek und Standort der Staatsanwaltschaft Berlin beschlossen, der nun mit Haushaltsmitteln von Land und Bezirk umgesetzt werden soll. Über das Begrünungsprogramm der Städtebaufördermaßnahme wird dabei die Verlagerung und Qualifizierung des interkulturellen Heilgartens gefördert, der sich bisher auf dem Standort befand. Flankiert wurden die Projekte durch die Gestaltung attraktiver Grün- und Freiflächen. Diese sind mit Nutzungsmöglichkeiten für verschiedene Bevölkerungsgruppen – Jugendliche, Familien, ältere Menschen – ausgestattet, darunter Sitzgelegenheiten, Liegewiesen, Springbrunnen sowie Spiel- und Sportgeräte. Parallel zur Wiederbelebung leerstehender Gebäude wurden so im öffentlichen Raum belebte Orte des Austauschs und der Identifikation geschaffen.

Lernerfahrungen

In der Turmstraße gelang es, durch die Revitalisierung von stadtbildprägenden Gebäuden das Quartier als funktionsgemischten Versorgungsstandort zu stärken. Angesichts der schwierigen Ausgangsbedingungen erforderte dies einen langen Atem. Zentraler Erfolgsfaktor dabei war die durch die Arbeit der Prozesssteuerung sowie des Geschäftsstraßenmanagements unterstützte kooperative Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren.

Bei der Nachnutzung von stadtbildprägenden Gebäuden zeigte sich, dass die Schaffung von kleinteiligen, multifunktionalen Flächen, die den Ansprüchen unterschiedlicher Nutzungen gerecht werden, die wichtigste Aufgabe ist. Dabei spielt die Ansiedlung von Ankernutzungen, die als Frequenzbringer zu Belebung führen, eine wichtige Rolle. Neben Einzelhandel und Gastronomie übernehmen auch Bildungs- und Kulturangebote (u.a. Volkshochschule, Institut für Erwachsenenbildung, Galerie) eine Ankerfunktion.

Bedeutsam ist zudem die Entwicklung der öffentlichen Frei- und Grünräume. Nach ihrer Umgestaltung sind sie Anziehungspunkt und zugleich Orte des Austauschs und der Identifikation mit dem Stadtteil.