Navigation und Serviceinhalte

Das Bild zeigt das ehemalige Fabrikgelände Alte Baumwolle und neues Zentrum von Flöha. Darüber hinaus sind der östlich angrenzende Fluss Zschopau und die westlich und östlichen benachbarten Wohnquartiere zu erkennen. Quelle:Lorema Immobilien GmbH

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Lebendige Zentren , Datum: 15.02.2023

Flöha: Neue Stadtmitte in der alten Baumwollspinnerei

Die Kleinstadt Flöha befindet sich in Mittelsachsen zwischen Chemnitz und Freiberg. Sie wurde erst 1933 durch die Vereinigung von vier benachbarten Dörfern gegründet, jedoch ohne die Entstehung einer Ortsmitte. Mehrere große und überwiegend ungenutzte Produktionsstandorte, die sich zur Zeit der Industrialisierung in Flöha ansiedelten und in den 1990er Jahren ihre Produktion aufgeben mussten, prägen heute das Stadtbild. So auch die zentral gelegene ehemalige Baumwollspinnerei "Alte Baumwolle", die die Stadt Flöha seit dem Erwerb Anfang der 2000er Jahre auf Basis verschiedener Konzepte kontinuierlich zu einem neuen Stadtzentrum zu entwickelt. Ziel ist es, in der stadtbildprägenden und identifikationsstiftenden historischen Bausubstanz der Alten Baumwolle und den umgebenden Freiflächen ein funktionsgemischtes Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturzentrum und einen Wohnstandort für Flöha zu schaffen.

Eckdaten

Land

Sachsen

Bevölkerung (Gemeinde)

10.696

Gebietsgröße

8,4 Hektar

Bundesfinanzhilfen

1.354.316 Euro (2020 bis 2022 Lebendige Zentren)
5.365.033 Euro (2010 – 2019 in Aktive Stadt- und Ortsteilzentren)

Gebietstypus

zentral
Baualter: 19. Jahrhundert

Schwerpunktthemen

  • Denkmalschutz / Baukultur
  • Innenentwicklung
  • Nachnutzung
  • Umnutzung

Instrumente

  • Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept
  • Mittelbündelung
  • Bürgerbeteiligung

Kontext

Die Stadt Flöha liegt in Mittelsachsen in der Nähe von Chemnitz. Mit der Ansiedlung von Baumwollspinnereien und weiteren Industriebetrieben im 19. Jahrhundert entwickelte sie sich zu einem aufstrebenden Industriestandort. Seit den 1990er Jahren ist Flöha durch die Schließung der Produktionsstandorte, dem folgenden Brachliegen der Industrieflächen sowie durch Schrumpfungsprozesse geprägt. So ging die Bevölkerungszahl zwischen 1990 und 2021 von circa 13.000 auf 10.500 Einwohnerinnen und Einwohnern zurück.

Die ehemalige Baumwollspinnerei "Alte Baumwolle" liegt in der geographischen Mitte von Flöha und war mit ihrer Gründung 1809 eine der ältesten und größten Baumwollspinnereien Sachsens. Ihr hoher Identifikationsfaktor für die Bevölkerung der Stadt Flöha und die Region ergibt sich durch ihre fast 200-jährige Geschichte, welche die Stadtentwicklung bedeutend mitgeprägt hat und durch ihre einzigartige Industriearchitektur von hohem denkmalpflegerischen Wert.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Hauptziel des aktuellen Stadtentwicklungsprozesses ist es, erstmals ein innerstädtisches funktionsgemischtes Zentrum in Flöha zu schaffen. Damit sollen die Identität des Ortes gestärkt und die Funktionen Handel, Dienstleistungen, öffentliche Daseinsvorsorge und Wohnen gebündelt werden. Im Mittelpunkt steht die Neugestaltung der sogenannten "Alten Baumwolle", einem circa 6,5 Hektar großen Gelände mit neun Gebäuden und circa 40.000 Quadratmeter Geschossfläche, das 2001 von der Stadt übernommen wurde. Zuvor erwarb ein privater Investor im Jahr 1995 das Gelände mit dem Ziel, hier Handels- und Dienstleistungsunternehmen anzusiedeln. Nach dem Scheitern dieser Pläne kaufte die Stadt Flöha das Gelände für einen symbolischen Preis von einer Mark und sicherte sich damit ihre Handlungsfähigkeit.

Auf dem Bild abgebildet ist ein Vorplatz mit Bäumen sowie eine gepflasterte Straße. Im Hintergrund befindet sich ein ehemals industriell genutztes Backsteingebäude. Auf dem Bild abgebildet ist ein Vorplatz mit Bäumen sowie eine gepflasterte Straße. Im Hintergrund befindet sich ein ehemals industriell genutztes Backsteingebäude. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Plan und Praxis Berlin Der neugestaltete Stadtraum und im Hintergrund der sanierte "Wasserbau"

Die Stadt Flöha ging im Entwicklungsprozess schrittweise vor. Nach Erarbeitung der planerischen Grundlagen (s.u.) wurde das Gelände zunächst durch Erschließungsmaßnahmen besser an die Gesamtstadt angebunden. Zeitgleich wurden Modernisierungsmaßnahmen an einzelnen Gebäuden durchgeführt. So wurden im "Wasserbau", einem ehemaligen Fabrikgebäude, u.a. die Stadtbibliothek, der Stadtsaal und Räumlichkeiten für Vereine realisiert. Mit Unterstützung von Mitteln der Städtebauförderung wurde 2014 die ehemalige Zwirnerei ("Shedhalle") zu einer Kinderbetreuungseinrichtung (Kinderkrippe, Kindergarten, Hort) mit 370 Plätzen entwickelt. Der sogenannte "Neubau", der größte Gebäudekomplex des Geländes, wurde zwischen 2017 und 2019 zu einem Einkaufszentrum umgenutzt, im gegenüberliegenden ehemaligen Ballenlager befindet sich seit Ende 2018 ein neuer Fachmarkt. Das ehemalige Kontorgebäude wird zum neuen Rathaus umgebaut. Die sogenannten "Altbauten am Park" werden derzeit durch einen privaten Investor umfassend saniert. Vorgesehen ist hier eine Mischung aus Wohn- und Gewerbeflächen. Direkt am neuen Marktplatz – im "Oederaner Bau" – entstehen im Erdgeschoss Flächen für Restaurants sowie Cafés und ab dem 1. OG Wohnungen.

Auch die Freiflächengestaltung ist wesentlicher Bestandteil der Entwicklung der "Alten Baumwolle". Den größten Teil der Freiflächen nimmt die neue Fußgängerzone ein, die Anfang 2016 fertiggestellt wurde. Neuer zentraler Treff- und Kommunikationsort soll der Marktplatz werden. Neben seiner Funktion als Standort für Handel und Gastronomie soll er als auto- und barrierefreier Begegnungsort für alle gesellschaftlichen Gruppen gestaltet werden.

Meilensteine

  • 2009 Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm "Aktive Stadt- und Ortsteilzentren"/Beginn Erarbeitung des Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (SEKO)
  • 2010 Stadtratsbeschluss zur Bestätigung des SEKO
  • 2012 Baubeginn der Kindertagesstätte in der ehemaligen Shedhalle mit Unterstützung der Städtebauförderung
  • 2014 Fertigstellung der Kindertagesstätte/Neubau der Claußstraße und der Erschließungsstraße um den "Neubau" mit Unterstützung der Städtebauförderung
  • 2016 Fertigstellung der Fußgängerzone mit Unterstützung der Städtebauförderung
  • 2018 Beginn des Umbaus des ehemaligen Kontorgebäudes zum Rathaus mit der Sanierung der Außenhülle mit Unterstützung der Städtebauförderung/Fertigstellung Sanierung Ballenlager - Eröffnung Fachmarkt/Beginn Umbau und Modernisierung Bauhof
  • 2019 Ende Sanierungsarbeiten an der Außenhülle neues Rathaus/Planungen Innenausbau Rathaus/Fertigstellung Sanierung des "Neubaus" und Ergänzungsbau – Eröffnung Einkaufszentrum
  • 2020 Überführung städtebauliche Gesamtmaßnahme aus dem Städtebauförderungsprogramm "Aktive Stadt- und Ortsteilzentren" in Programm "Lebendige Zentren"
  • 2022 Fertigstellung Sanierung "Klinkerbau von 1887" (privat)
  • 2023 Umzug der Stadtverwaltung in das sanierte Flöhaer Rathaus

Besondere Aspekte der Quartiersentwicklung

Die Erarbeitung der planerischen Grundlagen zur integrierten Entwicklung des Geländes vollzog sich in einem intensiven Prozess. So wurde in einem ersten Schritt im Jahr 2001 ein bestehendes Sanierungsgebiet um das Areal der Alten Baumwolle erweitert und bis 2004 Maßnahmen zur Sicherung des Geländes umgesetzt. In den Jahren 2005/2006 wurde ein Masterplan als Grundlage für die weitere Entwicklung erarbeitet. Dazu initiierte die Stadt einen Ideenwettbewerb für die Erstellung eines Städtebaulichen Gesamtkonzepts. In drei interdisziplinär zusammengesetzten Teams aus öffentlichen Akteuren und externen Fachexperten wurde über die Planungsziele und Gestaltungsvarianten diskutiert. An den Kolloquien nahmen auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der Stadt Flöha teil. Auf Grundlage des Masterplans wurde der bestehende Bebauungsplan als rechtsverbindliche Planungsgrundlage angepasst.

Das Foto zeigt mehrere ehemals industriell genutzte Bausteingebäude, die Teil des neuen Zentrums ''Alte Baumwolle'' von Flöha sind, und am linken unteren Bildrand den Fluss Zschopau. Das Foto zeigt mehrere ehemals industriell genutzte Bausteingebäude, die Teil des neuen Zentrums ''Alte Baumwolle'' von Flöha sind, und am linken unteren Bildrand den Fluss Zschopau. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Plan und Praxis Berlin Blick auf die Alte Baumwolle

Die so erarbeiteten Planungsgrundlagen stellten die Basis für das im Jahr 2008 veröffentlichte Städtebauliche Entwicklungskonzept (vierte Fortschreibung 2018) und das Teilräumliche Entwicklungskonzept "Alte Baumwolle" von 2010 dar. Neben der gezielten Prozesssteuerung des Vorhabens wurde damit auch die Aufnahme in die Städtebauförderung von Bund und Ländern ermöglicht. Zusätzlich zu den Mitteln der Städtebauförderung wurden weitere öffentliche und private Finanzierungsquellen genutzt. So kamen zur Sanierung des Wasserbaus Mittel des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zum Einsatz. Für die Modernisierung und Umnutzung einzelner Gebäude konnten mehrere private Investoren gewonnen werden.

Für eine bessere öffentliche Wahrnehmung des Revitalisierungsprozesses beauftragte die Stadt Flöha eine Kommunikationsagentur mit der Erstellung eines Marketingkonzepts für die "Alte Baumwolle". Es enthält eine Corporate Identity (CI) mit eigenem Namen und Logo als Wiedererkennungsmerkmale sowie eine eigene Webseite als zentrales Kommunikationsinstrument. Über die Webseite werden Hintergrundinformationen und der aktuelle Stand des Entwicklungsprozesses kommuniziert. So soll die Bevölkerung am Prozess beteiligt und gleichzeitig auch Aufmerksamkeit zur Gewinnung von potenziellen Investoren generiert werden. Eine regelmäßige Information der Öffentlichkeit erfolgt außerdem über Soziale Medien, Zeitungsbeilagen und Pressemitteilungen.

Von besonderer Qualität ist die Planungs- und Prozesskultur der Stadt Flöha. Bereits mehrmals wurden Wettbewerbe in die Planungsprozesse integriert. Der Schaffung der Kita in der ehemaligen Sheddachhalle ging ein städtebaulicher Wettbewerb voraus. Für die Nachnutzung der "Altbauten am Park" fand 2016 ein studentischer Architekturwettbewerb unter dem Motto "DenkMal Nutzung" im Rahmen der Denkmalmesse statt. Dadurch wurde ein privater Investor auf die Gebäude aufmerksam und erwarb diese. Für die Konzeption des neuen Marktplatzes wurde der Bürgerideenwettbewerb "Unser Markplatz" ausgerichtet. Die Anregungen aus der Bevölkerung flossen anschließend in die jeweiligen Vorentwürfe der Landschaftsarchitekturbüros im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung ein.

Lernerfahrungen

Die Stadt Flöha zeigt mit der städtebaulichen Gesamtmaßnahme "Alte Baumwolle" eindrucksvoll, wie eine verhältnismäßig kleine Stadt durchaus in der Lage sein kann, das schwere Erbe des industriellen Niedergangs für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung zu nutzen. Die investiven Maßnahmen für die Revitalisierung der denkmalgeschützten Gebäude, die Erschließung und den öffentlichen Raum stellten jedoch allein aufgrund der Bereitstellung der Eigenmittel einen erheblichen Kraftakt für die Stadt dar. Hier ist es der Stadt Flöha durch die Erarbeitung tragfähiger konzeptioneller Grundlagen zur integrierten Entwicklung des Geländes sowie einer außerordentlichen Planungs- und Prozesskultur gelungen, die Entwicklung des Areals der Alten Baumwolle gezielt zu steuern, Fördermittel aus verschiedenen Töpfen zur bündeln und private Investoren zu gewinnen. Auch die stetige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Flöhas stellte sich als außerordentlich wichtig heraus, damit die "Alte Baumwolle" als wichtiger Identifikationsort und neues Stadtzentrum angenommen wird.