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Das Bild zeigt die Fußgängerzone in Pößneck. Zu sehen sind verschiedene Geschäfte und gastronomische Einrichtungen in der Ergeschosszone. Quelle:Plan und Praxis Berlin

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Lebendige Zentren , Datum: 03.06.2022

Altbauaktivierung als Strategie zur Beseitigung von Leerständen in Pößneck

Die Kleinstadt Pößneck war bis Mitte des 20. Jahrhunderts ein traditioneller Standort der handwerklichen und industriellen Produktion, was an der Struktur und den baulichen Zeugnissen im historischen Zentrum noch gut ablesbar ist. Aufgrund unterlassener Sanierungsarbeiten in der DDR-Zeit war die wertvolle Bausubstanz von Leerstand und Verfall bedroht. Das stellte die Stadt vor die große Herausforderung, eine flächendeckende Sanierung umzusetzen. Da punktuelle Aufwertungsmaßnahmen nicht den gewünschten Erfolg brachten, entwickelte die Stadt eine neue Vorgehensweise. Sie wurde selbst als Projektentwicklerin aktiv und agiert im Rahmen eines kommunalen Liegenschaftsmanagements. Mit der gezielten Beteiligung weiterer Akteure konnten bereits viele Immobilien erfolgreich saniert und einer neuen Nutzung zugeführt werden.

Eckdaten

Land

Thüringen

Bevölkerung (Gemeinde)

11.697

Gebietsgröße

11,2 Hektar

Bundesfinanzhilfen

340.000 Euro (bis 2020 in Lebendige Zentren)
Ca. 15 Mio. Euro (1991-2019 in Städtebaulicher Denkmalschutz)

Gebietstypus

Mischgebiet, Stadtzentrum, Bebauung bis 1918

Schwerpunktthemen

  • Denkmalschutz / Baukultur
  • Wohnen

Instrumente

  • Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept
  • Mittelbündelung
  • Aktivierung Private
  • Gestaltungssatzung

Kontext

Die in Ostthüringen liegende Stadt Pößneck war bereits im Mittelalter ein bedeutender Standort der Textilproduktion und entwickelte sich im 19. Jahrhundert zur wichtigsten Industriestadt in der Region. Die Phasen der Stadtentwicklung sind am Zentrum von Pößneck deutlich ablesbar. Noch heute ist der mittelalterliche Kernort anhand seiner quadratischen Grundform und den Ecktürmen der ehemaligen Stadtbefestigung gut im Stadtgrundriss erkennbar. An diesen schließen sich gründerzeitliche Wohngebiete an. Von der einstigen Bedeutung der Stadt zeugt die Maßstäblichkeit von repräsentativen Bauten und Plätzen. Entsprechend steht ein Großteil der historischen Altstadt heute unter Ensembleschutz und eine Vielzahl von Gebäuden sind als Einzeldenkmale ausgewiesen.

Jedoch führten der wirtschaftliche Strukturwandel sowie demographische Veränderungen seit Anfang der 1990er dazu, dass die Stadt bis heute rund ein Drittel ihrer Bevölkerung verloren hat. In der Folge war das Zentrum von Leerstand und Verfall geprägt. Anfang der 2000er Jahre standen rund 40 % der Wohnungen in der Altstadt leer. Auch historisch bedeutsame und städtebaulich prägnante Gebäude waren davon betroffen.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Um die immensen Herausforderungen in der historischen Altstadt von Pößneck mit zahlreichen städtebaulichen Missständen und Funktionsverlusten zu bewältigen, wurde bereits zu Beginn der 1990er Jahre eine Erhaltungssatzung für die historische Altstadt beschlossen und das Gebiet in das Programm "Städtebaulicher Denkmalschutz" aufgenommen. Die Entwicklung der historischen Altstadt wurde im weiteren Verlauf maßgeblich durch das Integrierte Stadtentwicklungskonzept, das "Rahmenkonzept zum öffentlichen Raum" sowie die Gestaltungssatzung bestimmt.

Im Jahr 2020 erfolgte schließlich die Überführung des Fördergebiets aus dem Förderprogramm "Städtebaulicher Denkmalschutz" in das Programm "Lebendige Zentren". In diesem Zusammenhang wird derzeit das Integrierte Stadtentwicklungskonzept fortgeschrieben, um den erfolgreich begonnenen Sanierungsprozess in der historischen Altstadt fortzusetzen.

Das Ziel der Fördermaßnahme ist der Erhalt und die Wiederherstellung des Stadtbildes und der historischen Stadtstruktur. Insbesondere stadtbildprägende Gebäude und historische Ensembles sollen gesichert und saniert werden. Der Stadtgrundriss soll bezogen auf Bauweise, Bebauungsdichte, Raumbildung und Wegeführung als gewachsene Struktur erhalten oder wiederhergestellt und die historische Altstadt in ihrer Funktion als Wohn- und Versorgungsstandort erhalten werden. Dabei werden der Wohnungsbestand an die Bedürfnisse der Bewohner, in Bezug auf Wohnungsgrößen, angepasst.

Meilensteine

Das Bild zeigt den Marktplatz von Pößneck. Der Marktplatz befindet sich in Hanglage und ist gepflastert. Es befindet sich ein Brunnen auf dem gepflasterten Platz, der von mehreren historischen Gebäuden umgeben ist. Das Bild zeigt den Marktplatz von Pößneck. Der Marktplatz befindet sich in Hanglage und ist gepflastert. Es befindet sich ein Brunnen auf dem gepflasterten Platz, der von mehreren historischen Gebäuden umgeben ist. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Plan und Praxis Berlin Marktplatz von Pößneck
  • 1991 Vorbereitende Untersuchungen
  • 1991 Ausweisung Erhaltungssatzung
  • 1994 Ausweisung Fördergebiet im Programm "Städtebaulicher Denkmalschutz"
  • 2002 Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK)
  • 2005 Rahmenkonzept zum öffentlichen Raum
  • Seit 2005 Sanierungsarbeiten im Quartier Kirchplatz - Klosterplatz
  • 2007 Gestaltungsleitaden
  • 2010 Fortschreibung ISEK
  • 2020 Überführung Fördergebiet aus dem Förderprogramm "Städtebaulicher Denkmalschutz" in "Lebendige Zentren" und Fortschreibung des ISEK

Besondere Aspekte der Quartiersentwicklung

Um die Herausforderungen in der Altstadt von Pößneck bewältigen und Altbauten aktivieren zu können, setzt die Stadt Pößneck gezielt das Instrument des strategischen Liegenschaftsmanagements ein. Ziel dabei ist es vor allem, Grundstücke und Immobilien, deren Entwicklung aufgrund von ungeklärten Eigentumsverhältnissen, handlungsunfähigen oder -unwilligen Eigentümerinnen und Eigentümern oder Erbengemeinschaften, ungünstigen Parzellenzuschnitten, stark überbauten Innenhofbereichen oder fehlenden Freiflächen erschwert ist, zu entwickeln.

Dabei unterstützt und berät die Stadt Pößneck zum einen private Eigentümerinnen und Eigentümer und versucht sie für die Sanierung ihres Gebäudebestands zu sensibilisieren. Zum anderen tritt sie selbst aktiv als Projektentwickler auf und erwirbt schwer zu vermarktende Grundstücke auf Basis zuvor erstellter Verkehrswertgutachten. Die teilweise stark überbauten Grundstücke bzw. Innenhofbereiche werden anschließend beräumt und marktgerecht neu geordnet sowie an investitionsbereite Akteure verkauft.

Zentrales Element bei der Entwicklung der Grundstücke und Immobilien ist jeweils die Erstellung von sogenannten Nutzungs- und Sicherheitskonzepten, um Sanierungsfähigkeit und -bedarf, Kosten sowie Fördermöglichkeiten der Liegenschaften zu beurteilen. Diese "Grobchecks" stellen für die Stadt Pößneck, für Eigentümerinnen und Eigentümer sowie für potenzielle Investorinnen und Investoren eine wichtige Entscheidungsgrundlage dar, da so Unsicherheiten und Risiken bei der Entwicklung der betreffenden Immobilien minimiert werden können. Für die Stadt sind sie darüber hinaus elementarer Bestandteil von objektbezogenen Vermarktungsstrategien, mit welchen sie wichtige Partner bei der Entwicklung des Zentrums gewinnen kann. Die Erstellung der Konzepte wird mit Städtebaufördermitteln unterstützt.

Eines der vielen Beispiele in Pößneck für diese Vorgehensweise ist die langfristige Entwicklung des Quartiers Kirchplatz-Klosterplatz. Es wird von 16 Grundstücken gebildet, auf denen sich zehn Einzeldenkmale befinden. Vor der Sanierung war das Quartier von fortschreitendem Verfall und einem sehr hohen Leerstand (90 %) geprägt. Unter Einsatz verschiedener Fördermittel (Städtebauförderung, Wohnungsbauförderung) sowie in intensivem Austausch mit einer Vielzahl von Akteuren, darunter neben Immobilieneigentümerinnen und -Eigentümern sowie potenziellen Investorinnen und Investoren auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft oder der Sanierungsträger konnte der Großteil der Gebäude bis heute saniert und neuen Nutzungen zugeführt werden. Auch hier gelang es mittels der Erstellung von Nutzungskonzepten, die Möglichkeiten und Kosten für die Sanierung der Gebäude zu ermitteln. Diese Nutzungskonzeptionen wurden anschließend von privaten Immobilieneigentümerinnen und -Eigentümern oder durch die Stadt Pößneck, welche teilweise Grundstücke im Quartier erwarb und entwickelte, umgesetzt.

Ein weiteres Beispiel für den Erfolg dieser Vorgehensweise ist das ehemalige Schiller-Gymnasium. Es wurde 1830 als Knabenschule errichtet und in späteren Jahren aufgestockt sowie um eine Turnhalle ergänzt. Mit Hilfe von Städtebaufördermitteln wurde ein Nutzungskonzept erstellt, das die Sanierung und den Umbau zu barrierefreien Wohnungen, inklusive von Seniorenwohngemeinschaften, vorsieht. Die Stadt verkaufte 2017 das Gebäude für einen symbolischen Preis von einem Euro an die AWO Sozialmanagement gGmbH Saale-Orla-Kreis.

Lernerfahrungen

Das Beispiel Pößneck zeigt eindrucksvoll, wie eine Stadt selbst bei einer schwierigen Ausgangslage handlungsfähig bleiben kann. Entscheidende Voraussetzung war die Erkenntnis, dass die Stadt selbst die aktive Rolle als Projektentwicklerin übernehmen muss, um in einem aufwändigen Prozess und unter Beteiligung einer Vielzahl von Akteuren die bestehenden Problemlagen zu bewältigen. Hierbei zeigte sich, dass mittels der gezielten Ansprache von Immobilieneigentümerinnen und -Eigentümern sowie Investorinnen und Investoren Sanierungsprozesse umgesetzt werden konnten. Die Gebäudechecks haben sich hier als Instrument bewährt, um Nutzungshorizonte aufzuzeigen und um bestehende Unsicherheiten im Vorfeld abzubauen. Schwierige Immobilien erwarb die Stadt teilweise selbst, um sie für einen Weiterverkauf vorzubereiten. Insgesamt half der Ansatz des strategischen Liegenschaftsmanagements der Stadt dabei, die zentralen Herausforderungen von Leerstand und Verfall des Zentrums zu bewältigen und Altbauten zu reaktivieren.