Navigation und Serviceinhalte

Ein junger Schüler und ein erwachsener Mann sitzen zusammen am Tisch vor einem Laptop in einem Gemeinschaftsraum des Familienzentrums. Der Mann zeigt dem Schüler etwas an dem Laptop und gibt dem Schüler Nachhilfeunterricht in Mathe. Quelle:empirica

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Sozialer Zusammenhalt , Datum: 11.05.2021

Digitaler LearningSpace im Lern- und Familienzentrum im Brandenburgischen Viertel in Eberswalde

Das Brandenburgische Viertel ist ein Ankunftsquartier in Eberswalde, in dem viele benachteiligte Familien leben. Mit Mitteln des Verfügungsfonds wurde das Medienzentrum "Digitaler LearningSpace" eingerichtet, das allen Bewohnerinnen und Bewohnern des Viertels zugänglich ist sowie projektbezogene Angebote für alle Altersgruppen bietet. Insbesondere vor dem Hintergrund der Coronapandemie und der damit zunehmenden Bildungsdistanz bei vielen Kindern und Jugendlichen wurde dieser Bedarf von den lokalen Trägern und Institutionen erkannt. Zusätzlich soll der "Digitale LearningSpace" Teilhabemöglichkeiten von älteren Menschen erweitern und sie in die zunehmende Digitalisierung einbinden.

Eckdaten

Land

Brandenburg

Bevölkerung (Gemeinde)

circa 42.100

Gebietsgröße

82 Hektar

Bundesfinanzhilfen

2,754 Millionen Euro

Gebietstypus

Großwohnsiedlung, Stadtrand, 1970er/1980er

Schwerpunktthemen

  • Soziale Infrastruktur
  • Digitalisierung

Instrumente

  • Verfügungsfonds

Kontext

Das Brandenburgische Viertel ist ein Stadtteil in der brandenburgischen Mittelstadt Eberswalde im Landkreis Barnim. Die Großwohnsiedlung entstand in den 1970er und 1980er Jahren und besteht überwiegend aus sechsgeschossigen Wohnblöcken. Aufgrund von Leerstand werden seit der Jahrtausendwende Abrisse einzelner Blöcke durchgeführt. In dem Viertel gibt es eine Grundschule, eine Förderschule, drei Kitas, einen Hort, mehrere Wohnheime für ältere Menschen und eine Wohnanlage des Studentenwerks sowie Wohnangebote für Geflüchtete. Außerdem gibt es mehrere Sporthallen, die von den lokalen Sportvereinen genutzt werden, ein Gemeindezentrum, ein Bürgerzentrum, eine Jugendfreizeiteinrichtung und das Lern- und Familienzentrum.
In dem Viertel leben 6.870 Menschen (Stand 01/2021). Seit 2014 gibt es einen stetigen Bevölkerungszuwachs, der auch ein Resultat des Zuzugs von Menschen mit Fluchthintergrund darstellt. Der Anteil der Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund liegt bei 19 Prozent (Stand 2021). Als Ankunftsquartier übernimmt das Brandenburgische Viertel eine wichtige soziale Integrationsleistung der Gesamtstadt. Da in dem Viertel auch überdurchschnittlich viele Langzeitarbeitslose leben, steht das Gebiet vor komplexen sozialen Herausforderungen.

Das Foto zeigt das zweigeschossige Familienzentrum von vorne. Das Foto zeigt das zweigeschossige Familienzentrum von vorne. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: empirica Lern- und Familienzentrum Spreewaldstraße der Bildungseinrichtung Buckow e. V.

Das Brandenburgische Viertel hat im Vergleich zur Gesamtstadt eine überdurchschnittlich junge Bevölkerung, die einen niedrigen Bildungsstand hat. Kinder mit Flucht- oder Migrationshintergrund haben häufig kaum oder geringe Deutschkenntnisse und zudem fehlt Kindern aus benachteiligten Haushalten oft die Unterstützung durch die Eltern. Die Bildungsdefizite der Kinder im Quartier haben sich während der Coronapandemie verstärkt. Oft fehlt es in den Familien an technischer Ausstattung, Räumlichkeiten oder Know-how, um den Kindern und Jugendlichen eine Teilnahme am digitalen Homeschooling zu ermöglichen.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Das Brandenburgische Viertel befindet sich seit 1999 im Programm Sozialer Zusammenhalt (ehem. Soziale Stadt). Das Viertel wurde damals in die Förderung aufgenommen, um sozialen Problemlagen zu begegnen und die Entwicklung zu einem sozialen Brennpunkt zu begrenzen. Im Laufe der mehr als 20 Jahre im Programm wurden zahlreiche investive Maßnahmen, wie ein Bürgerzentrum, das Vereinshaus und die Qualifizierung von Freiflächen, umgesetzt. Von Beginn an wurden außerdem sowohl ein Quartiersbüro (heute Quartiersmanagement) und ein Sprecherrat eingerichtet. Nach einer Evaluierung im Jahre 2017 wurde die Weiterführung beschlossen und 2019 das Integrierte Entwicklungskonzept (IEK) erneuert. Diese Entscheidung lässt sich insbesondere auf die Aufnahme vieler Geflüchteter seit 2015 und der damit verbundenen Integrationsaufgabe für die Gesamtstadt zurückführen. In den kommenden Jahren sollen die Schwerpunkte auf der Weiterentwicklung und Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität, der Verbesserung der sozialen Integration und der Förderung des nachbarschaftlichen Zusammenlebens liegen.

Meilensteine

  • 1999: Aufnahme in das Programm "Soziale Stadt"
  • seit 2000: Abriss einzelner Mehrfamilienhäuser aufgrund von Leerstand
  • 2001: Einrichtung Quartiersbüro und Sprecherrat
  • seit 2014: Bevölkerungszuwachs (Neu zugezogene Menschen mit Fluchthintergrund werden in Eberswalde ausschließlich im Brandenburgischen Viertel untergebracht.)
  • 2019: Aktualisierung IEK
  • 2020: Übernahme des Programmgebiets in das neue Programm "Sozialer Zusammenhalt"
  • 2020: Eröffnung des Lern- und Familienzentrums im November
  • 2021: Start "Digitaler LearningSpace"

Gute Praxis

Im Brandenburgischen Viertel findet das Instrument des Verfügungsfonds mit einem jährlichen Budget von 15.000 Euro Anwendung. Unterschieden wird zwischen dem Aktionsfonds für kleinere Projekte von bis zu 250 Euro und den Fondsprojekten mit einem Budget zwischen 250 Euro und 7.500 Euro. Das Jahresbudget beläuft sich für den Aktionsfonds auf 2.500 Euro und für die Fondsprojekte auf 12.500 Euro. Dabei erfolgt die Finanzierung zu 100 Prozent aus den Mitteln der Städtebauförderung.
Antragsberechtigt sind alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie Akteurinnen, Akteure und Träger im Quartier. In der Regel wird der Antrag vorab mit den Quartiersmanagerinnen besprochen und im Anschluss von der Stadtverwaltung auf Förderfähigkeit geprüft. Bei Fondsprojekten wird der Antrag zusätzlich im Sprecherrat diskutiert und bewilligt bzw. abgelehnt.
Der Sprecherrat trifft sich vierteljährlich und besteht aus 18 Mitgliedern von Trägern, Institutionen und zwei Personen aus der Quartiersbewohnerschaft. Durch die vertretenen Träger fungiert er zudem als Austauschplattform untereinander. Das Gremium unterstützt das Team des Quartiersmanagements, diskutiert und entscheidet über Projektanträge und über die Mittelvergabe. Seit Beginn der Coronapandemie fanden die Sitzungen des Sprecherrats online statt.
Während der Coronapandemie wurde der Aktionsfonds im Jahr 2020 vor allem von Kitas und Schulen genutzt, um mit Hilfe von Briefen Unterrichtsmaterial zu verschicken und somit in Kontakt mit den Kindern zu bleiben. Unter anderem wurden Bastel- und Sportvideos gedreht, um die Kinder zu Hause zu beschäftigen und Familien zu unterstützen.
Mithilfe eines Fondsprojekts und einem Budget von 7.500 Euro wurde Ende 2020 der "Digitale LearningSpace" im Lern- und Familienzentrum Spreewaldstraße der Bildungseinrichtung Buckow e. V. eingerichtet: Es wurden fünf Laptops, ein Bildschirm, ein WLAN-System, ein Multifunktionsdrucker, ein Beamer, ein Medienschrank und Zubehör angeschafft. Damit wurde in dem Zentrum ein für alle zugänglicher "Digitaler LearningSpace" aufgebaut, der seit Januar 2021 genutzt wird.

Von der Idee bzw. Antragstellung bis zur Umsetzung dauerte es lediglich vier bis fünf Monate. Die Idee entstand im Lern- und Familienzentrum, das auch den Antrag stellte, und wurde informell mit dem Quartiersmanagement weiterentwickelt. Das Lern- und Familienzentrum verfügt über vier Räume, einschließlich einer kleinen Küche und eines Sanitärraums. Die Laptops und Medien befinden sich in einem der zwei Gemeinschaftsräume und durch die Mobilität der Laptops kann in allen Räumen mit ihnen gearbeitet werden. Dadurch ist sowohl eine individuelle Nutzung als auch die Arbeit in Kleingruppen möglich.
Die Geräte stehen allen Menschen aus dem Quartier während der Öffnungszeiten zur Verfügung. Im Rahmen der städtischen Förderung des Lern- und Familienzentrums sowie durch Unterstützung des Trägers ist qualifiziertes Personal vor Ort, um die Bewohnerinnen und Bewohner mit der Handhabung der Medien vertraut machen und sie z. B. bei der Onlinebearbeitung von Anträgen und Formularen sowie bei persönlichen Recherchen zu unterstützen. Pandemiebedingt ist die Nutzung derzeit für alle nur mit terminlicher Voranmeldung möglich.
Neben diesem offenen Zugang gibt es mehrere Projekte für bestimmte Zielgruppen. Davon ist eines für Kinder und Jugendliche bereits umgesetzt und eines für Seniorinnen und Senioren in der Planung. Schülerinnen und Schüler mit Flucht- oder Migrationshintergrund, aber auch Kinder aus benachteiligten Familien, werden zwei Stunden pro Woche in dem Lern- und Familienzentrum durch das Personal unterstützt, wobei viel mit den Laptops gearbeitet wird. Die Kinder können so auf die Lernplattform ihrer Schule zugreifen und E-Mails an das Lehrpersonal versenden. Außerdem werden Lernvideos geschaut und Lernspiele gespielt. Durch dieses Angebot leistet der "Digitale LearningSpace" einen Beitrag, Kinder während der Coronapandemie dabei zu unterstützen, den Anschluss an den Schulunterricht nicht zu verlieren.

Lernerfahrung

Im Brandenburgischen Viertel sind die Wege zwischen den vielfältigen sozialen Einrichtungen und Trägern, die oft in einem Haus ansässig sind, kurz und es wird eine enge Kooperation praktiziert. Das Viertel zeichnet sich besonders durch diese gewachsenen, eher informellen Strukturen aus. Sie fördern einen konstanten engen Austausch, der ein rechtzeitiges und gezieltes Erkennen von Bedarfen ermöglicht.
Die Mittel aus dem Verfügungsfonds wiederum ermöglichen die schnelle Umsetzung kleinerer Projekte durch den Aktionsfonds. Dadurch war der Verfügungsfonds gerade während der Coronapandemie, durch die kurzfristig neue Bedarfe entstanden, ein besonders hilfreiches Instrument, mit dem neue Angebote, vor allem seitens der Einrichtungen und Akteure im Quartier, für verschiedene Bevölkerungsgruppen geschaffen wurden. Die Bandbreite der Projekte ist dabei offen und die Umsetzung eigener Ideen durch die Bewohnerinnen und Bewohner und Träger möglich.
Das Quartiersmanagement hat bisher sehr gute Erfahrungen mit dem Verfügungsfonds gemacht und konnte die Fördermittel in vielfältigen Projekten einsetzen, die den Zusammenhalt der Bevölkerung stärken sollen. Durch die hundertprozentige Förderung ist der Zugang zum Aktionsfonds und zu den Fondsprojekten sehr niedrigschwellig (keine Eigenbeteiligung). Jedoch wünschen sich die Quartiersmanagerinnen, dass zukünftig auch die Bewohnerinnen und Bewohner mehr Gebrauch von diesem Instrument machen. Vor diesem Hintergrund wurde das Antragsformular überarbeitet und durch verstärkte Beratungen sollen die bürokratischen Hürden für die Bürgerinnen und Bürger reduziert werden.