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Das Bild zeigt einen Spielplatz am Kinder- und Familienzentrum zwischen den Hochhäusern des Stadtteils Tenever-Osterholz. Quelle:empirica

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Sozialer Zusammenhalt , Datum: 06.05.2021

Stadtteilgruppen in Tenever-Osterholz, Bremen

Tenever ist eine Großwohnsiedlung des Bremer Stadtteils Osterholz. Seit 1999 ist Tenever Teil des Städtebauförderungsprogramms Sozialer Zusammenhalt (ehem. Soziale Stadt). Die Siedlung ist ein Integrationsstandort, hier leben viele Menschen mit Migrationshintergrund bei gleichzeitig überdurchschnittlicher materieller Benachteiligung der Menschen. In Kombination mit dem stadteigenen kommunalen Förderprogramm "Wohnen in Nachbarschaften" (WiN) konnten im Stadtteil langfristige integrierte Instrumente geschaffen werden, um die Lebens- und Wohnverhältnisse der Bewohnerschaft dauerhaft zu stärken. Hervorzuheben ist bei diesem Beispiel die Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner und Akteurinnen und Akteuren mittels der Stadtteilgruppe. In dieser entscheidet die Bewohnerschaft, gemeinsam mit weiteren Beteiligten aus dem Quartier, über Projektanträge und deren Förderung. In Tenever werden vor allem viele kleine Projekte mit niedrigen Fördersummen umgesetzt.

Eckdaten

Land

Bremen

Bevölkerung (Gemeinde)

circa 683.000

Gebietsgröße

231 Hektar

Bundesfinanzhilfen

1,359 Millionen Euro

Gebietstypus

Großwohnsiedlung

Schwerpunktthemen

  • Soziale Infrastruktur
  • Daseinsvorsorge

Instrumente

  • Bürgerbeteiligung

Kontext

Das Bild zeigt die Hochhaussiedlung im Stadtteil Tenever-Osterholz. Das Bild zeigt die Hochhaussiedlung im Stadtteil Tenever-Osterholz. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: empirica Hochhaussiedlung im Stadtteil Tenever-Osterholz

Die Großsiedlung Tenever wurde zwischen 1967 und 1975 am östlichen Rand des Bremer Stadtteils Osterholz, 13 km von der Bremer Innenstadt entfernt (35 Min. Fahrzeit mit dem ÖPNV), mit ca. 2.600 Wohneinheiten errichtet. Die Höhe der Gebäude reicht bis zu 22 Stockwerke und hebt sich städtebaulich deutlich von der umgebenden Struktur ab, die u. a. von Einfamilienhäusern, Grünflächen und großen Verkehrsschneisen geprägt ist. Das Gebiet ist monostrukturiert und auf die Wohnfunktion ausgerichtet. Städtebauliche Missstände, ein hoher Leerstand (bis zu 51 Prozent vor dem Rückbau bis 2009), eine schwierige Sozialstruktur der Bevölkerung und ein schlechtes Image führten 1999 zur Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm Sozialer Zusammenhalt (damals Soziale Stadt).
Die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch Aktive sehen die Großwohnsiedlung als Integrationsquartier für die dort lebende Bevölkerung. In Tenever leben etwa 10.000 Menschen aus rund 90 verschiedenen Nationalitäten. 67 Prozent der Bewohnerschaft haben einen Migrationshintergrund. Tenever ist einer der kinderreichsten Ortsteile Bremens - ein Drittel der dort lebenden Menschen ist unter 18 Jahre alt. Bei ihnen liegt der Migrationsanteil bei über 80 Prozent. Fast drei Viertel der Jugendlichen verlassen die Schule ohne Abitur (2015-2017). Außerdem sind mehr als ein Drittel aller Bewohnerinnen und Bewohner, vor allem Kinder und Jugendliche, auf Sozialleistungen angewiesen.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Tenever wurde 1999 in die Städtebauförderung aufgenommen, um einer negativen Entwicklung des Stadtteils entgegenzuwirken. In Bremen ist das Bund-Länder-Programm Sozialer Zusammenhalt 1998 eng mit dem eigenen kommunalen ressortübergreifenden Förderprogramm "Wohnen in Nachbarschaften" (WiN) verknüpft. Damit wurde eine spezifische Förderstruktur gebildet, die sich in der Umsetzungspraxis widerspiegelt. Der Synergieeffekt ermöglicht eine Kombination von investiven und nicht-investiven Maßnahmen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen der Tenever Einwohnerschaft und eine dauerhafte Sicherung des Quartiersmanagements vor Ort.
Das Quartiersmanagement übernimmt die Geschäftsführung des lokalen Forums der Stadtteilgruppe und die Umsetzung der Förderungsprogramme WiN, Sozialer Zusammenhalt und LOS (Lokales Kapital für soziale Zwecke). Im sozialen Bereich sind die Handlungsfelder seit Beginn des Programms insbesondere ausgerichtet auf die hohe Abhängigkeit von Transferleistungen, die Integration von Neuzugewanderten und das schlechte Image.
In Tenever werden, wie in allen Gebieten des Sozialen Zusammenhalts, besonders viele Projekte gefördert, die zum Großteil ein Fördervolumen von unter 5.000 Euro und zu zwei Drittel ein Fördervolumen von unter 10.000 Euro haben. In Tenever konzentrieren sich die Projekte auf die Qualifizierung der sozialen Infrastruktur, auf die Attraktivierung des Frei- und Spielflächenangebots und auf die Verbesserung des Wohnumfelds und des öffentlichen Raums. Zielgruppen sind insbesondere Kinder und Jugendliche, Familien/Frauen/Mädchen und Menschen mit Migrationshintergrund.
Zur Betrachtung der Gesamtmaßnahme Tenever gehört auch das auf bauliche Maßnahmen konzentrierte Städtebauförderungsprogramm "Stadtumbau West", in dessen Rahmen in Tenever zwischen 2006 und 2009 über 1.000 Wohnungen abgerissen und der Bestand aufgewertet wurde.

Meilensteine

  • 1989: Erste Sitzung der Stadtteilgruppe; zunächst ein kleiner Kreis, der sich in den kommenden Jahren öffnete
  • 1989: Gründung des Mütterzentrums Osterholz Tenever e. V.
  • 1998: Aufnahme in kommunales Förderprogramm "Wohnen in Nachbarschaften" (WiN)
  • 1999: Aufnahme in das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt"
  • 2004: Eröffnung Kinderbauernhof
  • 2004: Einweihung der Halle für Bewegung und dem FitPoint
  • 2006-2009: Städtebauförderungsprogramm "Stadtumbau West"; flächenhafter Rückbau (ca. ein Drittel des Bestands) in Kombination mit der Sanierung und Aufwertung der verbleibenden Bestände
  • 2018: 1. Stadtteiloper "Faust II" in Tenever, initiiert von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und der Gesamtschule Ost
  • 2008: Eröffnung Neubau Spielhaus
  • 2010: Neue Anlage Hood-Training
  • 2013: Verlängerung der Straßenbahnlinie von der Innenstadt nach Tenever
  • 2016: Querbeet - Gartenprojekt für und mit Bewohner*innen

Besondere Aspekte der Quartiersentwicklung

Neben der Verknüpfung der beiden Förderprogramme WiN und "Sozialer Zusammenhalt" ist insbesondere der Einfluss der Bewohnerinnen und Bewohner und Beteiligten auf die Projektauswahl und die Fördersummen in diesem Praxisbeispiel hervorzuheben. Tenever ist ein Ortsteil, in dem Beteiligung der Bewohnerschaft auf allen Ebenen praktiziert oder angestrebt wird. Die regelmäßig öffentlich tagende Stadtteilgruppe (WiN-Forum) - ca. alle sechs bis acht Wochen - ist das zentrale Vertretungsorgan für die Belange der in Tenever lebenden Menschen, an dem auch Akteurinnen und Akteure des Quartiers und Vertretungen der sozialen Einrichtungen, des Gewerbes, der Politik, der öffentlichen Verwaltung und der Wohnungsgesellschaften teilnehmen. In diesen Rahmen werden Projektanträge vorgestellt, diskutiert und zur Förderung ausgewählt. Ein Projektantrag muss im Konsens aller entschieden werden. An den Sitzungen nehmen zwischen 40 und 120 Menschen teil, davon 20 Prozent aus der Bewohnerschaft. Die Stadtteilgruppen dienen außerdem zum Austausch und der direkten Konfliktlösung bei Problemen im Quartier. Im Sinne der Transparenz wird für jede Sitzung ein Protokoll erstellt und für jeden einsehbar auf der Homepage eingestellt. Für die Vorbereitung, Durchführung, Moderation und Nachbereitung der Sitzungen ist das Quartiersmanagement zuständig.
Neben den Treffen der Stadtteilgruppe gibt es weitere Möglichkeiten der Beteiligung der Bewohnerschaft. Bewohnerinnen und Bewohner können sich an das Quartiersmanagement wenden, um ihre Ideen einzubringen und Probleme zu benennen. Auch bei den einzelnen Projekten werden Partizipationsangebote gemacht. So werden etwa bauliche Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds durch die jeweilige Zielgruppe begleitet, wie zum Beispiel die Schulhofaufwertung oder ein Mosaik-Kunstprojekt mit Kindern und Erwachsenen im Wohnumfeld.

Lernerfahrung

Auch wenn sich gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut, Integrations- und Bildungsdefizite weiterhin sozialräumlich in Tenever konzentrieren, gilt es heute - vor allem aufgrund der erfolgreichen sozialen und baulichen Interventionen - als Vorzeigeprojekt im Bereich der sozialen Stadtentwicklung und als Beispiel für das friedliche Zusammenleben vieler Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. Die von der Stadtteilgruppe beschlossenen Projekte gehören nicht zu den Regelaufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, sind aber zusätzlich erforderlich, um der sozialräumlichen Benachteiligung Tenevers zu begegnen. Deutlich wird, dass viele Anstöße von unten kommen. Dies bewirkt zum einen eine höhere Identifikation mit den Projekten. Zum anderen entstehen die Projekte nach den (aktuellen) Bedarfen und unter Mitbestimmung der Nutzerinnen und Nutzer.