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Das Foto zeigt den Eingang des Schulhofes aus Richtung Bunter Weg. Im Hintergrund liegen der Schulhof, auf dem entfernt eine Gruppe von Kindern steht. Im Vordergrund stehen das mit Ästen, Bändern und bunten Holzstiften bunt dekorierte Schuleingangstor. Quelle:empirica

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Sozialer Zusammenhalt , Datum: 06.10.2022

Bewegungsförderung in der Hildesheimer Nordstadt

Im Fördergebiet "Nördliche Nordstadt" im Hildesheimer Stadtteil Nordstadt werden die Themen Gesundheits- und Bewegungsförderung in die Quartiersarbeit eingebunden. Mittels verschiedener Förderprogramme und verschiedener Ansätze soll die Gesundheit bei Eltern und Kindern präventiv gefördert werden. Das zeigt sich auch bei der Umgestaltung zweier Wegabschnitte in zentraler Lage hin zu besonders bewegungsfreundlichen Räumen.

Eckdaten

Land

Niedersachsen

Bevölkerung (Gemeinde)

rund 105.000

Gebietsgröße

rund 27 Hektar

Bundesfinanzhilfen

162.000 Euro (2020-2021 in Sozialer Zusammenhalt; Maßnahme ist laufend) 700.000 Euro (2016-2019 in Soziale Stadt)

Gebietstypus

Wohngebiet
Stadtteilzentrum
vor 1900

Schwerpunktthemen

  • Soziale Infrastruktur
  • Mobilität
  • Daseinsvorsorge
    Verkehr

Instrumente

  • Mittelbündelung
  • Quartiersmanagement
  • Bürgerbeteiligung
  • Verfügungsfonds

Kontext

Das Fördergebiet "Nördliche Nordstadt" liegt im Stadtteil Nordstadt der Großstadt Hildesheim. Das Gebiet hat sich über Jahrzehnte als zentraler Ankunftsstadtteil im gesamten Landkreis Hildesheim etabliert. Durch eine Bahntrasse abgegrenzt ist das Fördergebiet mit seinen 2.400 Einwohnerinnen und Einwohnern wenig mit der südlicheren Kernstadt verflochten. In dem von Wohnen geprägten Quartier befinden sich verschiedene soziale, kulturelle, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen sowie religiöse Gemeinden. Es mangelt jedoch an ausreichend öffentlich nutzbarem Raum wie Grünflächen und Begegnungsorten mit hoher Aufenthaltsqualität.

Die Nordstadt hat in Hildesheim die höchste Dichte an Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status. Viele Menschen empfangen Sozialleistungen und mehr als jedes zweite Kind ist von Armut betroffen. In dem jüngsten Hildesheimer Stadtteil ist ein überdurchschnittlicher Teil der Eltern alleinerziehend. Zudem hat jede zweite Person einen Migrationshintergrund. Mit dem innerhalb des Fördergebiets befindlichen Wohnheim für Geflüchtete gibt es einen verstärkten Bedarf an Integrationsmaßnahmen. Der sozialen Infrastruktur, insbesondere im Bereich kostengünstiger Sport- und Freizeitangebote, kommt aufgrund dieser Faktoren eine besondere Bedeutung zu, um Eltern zu entlasten und Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern. Allerdings fehlen in der nördlichen Nordstadt ausreichende Sportmöglichkeiten oder Vereine und der Zugang zu den verschiedenen Zielgruppen stellt, insbesondere aufgrund der Sprachbarriere, eine Herausforderung dar.

Das Thema Gesundheitsförderung ist in der Nördlichen Nordstadt besonders wichtig. Seit mehreren Jahren zeigen Untersuchungen, dass hier überdurchschnittlich viele Kindergartenkinder übergewichtig sind und andere Gesundheitsprobleme gehäuft vorliegen. Mit einem niedrigen sozioökonomischen Status kann eine geringere Gesundheitskompetenz einhergehen und die Integration in das Gesundheitssystem ist insbesondere für viele Geflüchtete ein langwieriger Prozess, sodass auch hier teilweise Grundlagenwissen fehlt. Bewegungsförderung kann vor diesem Hintergrund einen wichtigen präventiven Beitrag zur Gesundheitspflege leisten.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Seit 2012 ist in der Nordstadt die Gemeinwesenarbeit aktiv, die 2017 mit dem Quartiersmanagement beauftragt wurde. Parallel wurde der Stadtteilverein Nordstadt.Mehr.Wert e.V. gegründet, der Bewohnerinitiativen bündelt. Seit 2016 wird das Fördergebiet "Nördliche Nordstadt" über das Städtebauförderungsprogramm "Soziale Stadt" bzw. ab 2020 über das Nachfolgeprogramm "Sozialer Zusammenhalt" in seiner Entwicklung unterstützt. Die Schwerpunktthemen der Förderung umfassen neben Wohnen und Verkehr das Aufwerten von öffentlichem Raum und den Ausbau von Angeboten der sozialen Infrastruktur. Auch die Integration der Geflüchteten ist ein zentrales Ziel. Zudem werden handlungsfeldübergreifende Maßnahmen eingesetzt, die verschiedene Problemlagen und Ziele kombiniert aufgreifen. Von Beginn an wurde auf Synergien mit anderen Förderprogrammen, Maßnahmen und Kooperationen gesetzt. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass das 2017 erstellte Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) auf das 2016 geschriebene "Leitbild Gesundheit" und auf die Arbeit des 2015 eingesetzten "Arbeitskreises Gesundheit für die Nordstadt" zurückgreift. Für das Quartier bedeutet dies, dass das Ziel eines gesundheitsförderlichen Stadtteils langfristig und über verschiedene Strategien und Maßnahmen verfolgt wird.

Auf einer asphaltierten Fläche sind in bunten Kreidefarben Markierungen aufgebracht und kleine Verkehrsschilder aufgestellt. Drei junge Mädchen fahren entlang dieser Markierungen Fahrrad. Auf einer asphaltierten Fläche sind in bunten Kreidefarben Markierungen aufgebracht und kleine Verkehrsschilder aufgestellt. Drei junge Mädchen fahren entlang dieser Markierungen Fahrrad. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: empirica Fahrradtraining in einem Feriencamp nahe der Justus-Jonas-Straße

In der Stadtteilentwicklung wird der Aktivierung und umfassenden Beteiligung der Bürgerinnen und Bürgern und anderer lokaler Akteurinnen und Akteure ein zentraler Stellenwert eingeräumt. Dabei werden Schwerpunkte auf die Zielgruppen der ausländischen Bürgerinnen und Bürger und der Kinder gelegt, die über klassische Beteiligungsprozesse seltener erreicht werden können. Über eine niedrigschwellige Beteiligung sollen die nachbarschaftliche Teilhabe und der Zusammenhalt gefördert sowie ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber und die Identifizierung mit dem eigenen Quartier gestärkt werden.

Meilensteine

  • 2015 Vorbereitende Untersuchungen nach § 141 BauGB in der "Nördlichen Nordstadt"
  • 2016 Erstellung "Aktionsplan Nordstadt 2022" inkl. "Leitbild Gesundheit"
  • 2016 Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm "Soziale Stadt"
  • 2020 Vorbereitendes Beteiligungsprogramm für die Umgestaltung der Justus-Jonas-Straße
  • 2020 Überführung der Maßnahme in das Städtebauförderungsprogramm "Sozialer Zusammenhalt"
  • 2021-2022 Umbau "Bunter Weg" mit Spiel- und Bewegungsgeräten
  • 2021-2022/23 Umsetzung des Projektes "Bewegung.Spiel.Raum" zur Gesundheitsförderung an der Justus-Jonas-Straße
  • Voraussichtlich 2022 Einsetzung Quartiersmanagement "Nordstadt wird Sportstadt"
  • Voraussichtlich 2023 Eröffnung des Neubaus für das Familienzentrum MaLuKi
  • Voraussichtlich 2024 Start des Umbaus der Justus-Jonas-Straße

Gute Praxis

Ein räumlicher Schwerpunkt der Bewegungs- und Gesundheitsförderung sind die als Sackgasse angelegte Justus-Jonas-Straße und der anschließende Fußweg, der diese verlängert. Diese Wege sind aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung für den Stadtteil: Sie liegen in unmittelbarer Nähe zu der Stadtteilmitte, die aktuell entwickelt wird, und verbinden mehrere soziale Einrichtungen. Entlang der Justus-Jonas-Straße und des Bunten Weges liegen zwei Grundschulen, das Familienzentrum MaLuKi mit einem Hort und einer evangelischen Kirchengemeinde. In dieser zentralen Lage soll ein attraktiver, bewegungsanregender öffentlicher Raum mit Aufenthaltsqualität geschaffen werden, der Kinder und Erwachsene zu Bewegung, Sport und Spiel einlädt.

Die beiden Wege waren vormals mit verschiedenen Problemen behaftet: Während sich die Justus-Jonas-Straße aufgrund des elterlichen Hol- und Bringverkehrs zu einer Gefahrenquelle für fußgehende Kinder auf dem Schulweg entwickelt hatte, wurde der Fußweg abends aufgrund von mangelhafter Beleuchtung und starker Bebuschung als Angstraum wahrgenommen. Um diesen Problemen zu begegnen, wurden abschnittsweise unterschiedliche Maßnahmen und Förderprogramme in integrierter Weise eingesetzt, die zu einem höherwertigen Straßenbild führten.

Als erster Schritt wurde dabei der Fußweg in einen "Bunten Weg" umgewandelt. In einem partizipativen Verfahren wurden verschiedene Hüpf- und Balanciermöglichkeiten geschaffen, um niedrigschwellig Spiel und Bewegung zu initiieren. Zudem konnten Schülerinnen und Schüler Anfang 2021 in einem Online-Abstimmungsverfahren Spiel- und Bewegungsgeräte auswählen, die dann entlang des Weges installiert wurden.

Der zweite Streckenabschnitt, der über das Programm "Sozialer Zusammenhalt" umgestaltet wird, ist die Justus-Jonas-Straße. Langfristig soll auch diese von einer gefährlichen Etappe auf dem Schulweg zu einem "Shared Space" mit Raum für gemeinsame Bewegung werden. Mit diesem Zweck erhält der Neuentwurf für die Straßengestaltung einen geschwungenen Weg und viel Platz für sportliche Aktivität. Die umfassende Neugestaltung soll 2024 beginnen. In Vorbereitung hierauf wurde die Straße bereits 2020 zur autofreien Zone erklärt, um den elterlichen Hol- und Bringverkehr umzulenken und auf den letzten Metern des Schulweges die aktive Mobilität der Kinder zu fördern. Die Umwandlung wurde über Mittel des Verfügungsfonds von lokalen Theaterpädagoginnen und -pädagogen begleitet, die zur "Eroberung" des neuen Freiraums einluden.

Seit 2021 agiert im Bereich der Justus-Jonas-Straße zudem das Projekt "Bewegung.Spiel.Raum", das von der AOK Niedersachsen und der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen über das Programm "Gesundheit im Quartier" gefördert wird. Die Initiative verfolgt einen lebensweltbezogenen Ansatz, der Gesundheitsverhalten im Kontext des Alltagslebens betrachtet. Dabei spielt das tägliche Umfeld eine besondere Rolle und kann zur Bewegung einladen oder diese verhindern. Im Fokus des Angebots stehen Eltern, insbesondere Frauen und Alleinerziehende, die morgens nach dem Zur-Schule- bzw. Zur-Kita-Bringen ihrer Kinder zu gemeinsamen leichten Sporteinheiten im Umfeld der Justus-Jonas-Straße eingeladen werden. Über gemeinsame Walking-Runden oder Fitness- und Dehnübungen sollen sowohl Körperwahrnehmung und Gesundheitsbewusstsein als auch psychosoziale Faktoren wie Selbstwertgefühl, Selbstsicherheit und Gruppengefühl gestärkt werden. Dabei wird darauf geachtet, öffentliche und dennoch geschützte Räume zu finden, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich sicher und frei bewegen können. Die besondere Nähe zur Schule und eine gute Kooperation mit Akteurinnen und Akteuren der Schulen und des Familienzentrums ermöglichen das Erreichen der Zielgruppe mit niedrigschwelligen Angeboten. Erfahrungen aus dem Projekt werden mit in die Umgestaltung der Justus-Jonas-Straße einfließen, um hier partizipativ einen bewegungsförderlichen Raum zu schaffen. Im Gespräch und in der Aktivität werden darum Erfahrungen gesammelt, welche Anforderungen die Eltern an bewegungsfreundliche Räume haben. So wird die Justus-Jonas-Straße bedürfnisorientiert in einen Ort umgestaltet, in dem Bewegung Eltern und Kindern Freude macht.

Das Foto zeigt die menschenleere Justus-Jonas-Straße, die von hohen Bäumen gesäumt ist. Zwischen den Gehwegen beiderseits und der Straße stehen jeweils zwei bunte Hochbeete mit Sitzgelegenheiten. Der Holzzaun am rechten Gehweg ist teils bunt dekoriert. Das Foto zeigt die menschenleere Justus-Jonas-Straße, die von hohen Bäumen gesäumt ist. Zwischen den Gehwegen beiderseits und der Straße stehen jeweils zwei bunte Hochbeete mit Sitzgelegenheiten. Der Holzzaun am rechten Gehweg ist teils bunt dekoriert. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: empirica Justus-Jonas-Straße im August 2022

Lernerfahrung

Das Programmgebiet "Nördliche Nordstadt" in Hildesheim verdeutlicht, wie das Wohnumfeld das Gesundheitsverhalten beeinflussen kann. Durch eine räumliche Umgestaltung werden nun Rahmenbedingungen für ein gesundheitsförderliches Alltagsverhalten geschaffen. Im Zusammenspiel laden Justus-Jonas-Straße und "Bunter Weg" Kinder und Eltern bald mit gesteigerter Aufenthaltsqualität zum Bewegen und Verweilen ein. Zudem leistet das Konzept der autofreien Zone einen erheblichen Beitrag zur Aufwertung des Ortes und fördert die aktive Mobilität schon im Kindesalter. Das Beispiel zeigt dabei, wie verschiedene Teilräume und Fördermaßnahmen effektiv zusammengeführt werden können.

Die Bewohnerinnen und Bewohner werden dabei durch fortdauernde Bürgerbeteiligung über verschiedene Kanäle in die Umgestaltung der Strecke mit einbezogen und so gleichzeitig stetig auf neue Nutzungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht. Für diesen Dialog mit der Zielgruppe dienen Institutionen wie die Schulen oder das an das Familienzentrum angebundene Elterncafé als wichtige Vermittler.

Gesundheit wird im Quartier langfristig und über verschiedene Kanäle verfolgt. Dabei lassen sich die Themengebiete Integration, Gesundheit und Bewegung nachhaltig koppeln. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren sowie Projekten kann jedoch zeitintensiv sein, sodass in Hildesheim angestrebt wird, langfristig eine koordinierende Stelle für Gesundheitsthemen aufzubauen. Diese soll beim Träger angestellt und durch die Stadt beauftragt werden. Das angestrebte Quartiersmanagement Sport/Gesundheit soll hierfür Synergien bündeln, darauf hinarbeiten und neue Strukturen entwickeln helfen.