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Das Bild zeigt sechs bunte Häuser in einer Straßenzeile. Quelle:Benjamin Pritzkuleit

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Sozialer Zusammenhalt , Datum: 08.10.2020

Eschhofsiedlung in Lemwerder

Die Gemeinde Lemwerder steht für eine Kleinstadt im ländlichen Raum, die sich den Folgen des strukturellen Wandels stellt. Die Eschhofsiedlung, die einst für die Mitarbeitenden eines Flugzeugwerkes gebaut wurde, hat viele Eigentumswechsel hinter sich, was zu Sanierungsstau und Imageverlust führte. Mit Hilfe der Gründung einer gemeinnützigen Eschhof GmbH und ergänzendem Quartiersmanagement konnten bauliche und soziale Aufwertungen begonnen werden. Ziel ist der Erhalt von günstigem Mietwohnungsraum für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen im Zentrum von Lemwerder.

Eckdaten

Land

Niedersachsen

Bevölkerung (Gemeinde)

7.100

Gebietsgröße

16,9 Hektar

Bundesfinanzhilfen

1,983 Millionen Euro (einschließlich 2020)

Gebietstypus

Innenstadtnahes Gebiet

Schwerpunktthemen

  • Wohnen

Instrumente

  • Kommunalisierung des Wohnungsangebotes

Kontext

Lemwerder ist eine Gemeinde im niedersächsischen Landkreis Wesermarsch. Die Gemeinde umfasst 19 Ortsteile und liegt linksseitig der Weser gegenüber von Bremen-Nord. Die Eschhofsiedlung ist in den 1930er Jahren als eine Siedlung für die Belegschaft des Flugzeugwerkes im östlichen Teil von Lemwerder entstanden. Heute zählen zum Untersuchungsgebiet der Eschhofsiedlung rund 385 Wohnungen, davon ca. 20 in Einfamilienhäusern und 365 in Mehrfamilienhäusern.
Seit den 1980er Jahren erlitt das damals intakte Wohnquartier durch häufige Wechsel der Eigentumspartei und ein geringes Interesse an baulichen oder infrastrukturellen Erhaltungsmaßnahmen auf Seiten der Besitzenden einen Imageverlust. Es lag kein Gesamtentwicklungskonzept für die Siedlung vor und Häuser wurden vereinzelt veräußert.
Die Wohnungsgrundrisse und Ausstattung der Wohnungen aus den 1930er Jahren entsprechen heute nicht mehr dem Standard attraktiver (Familien-)Wohnungen, so dass diese hauptsächlich von Ein- und Zweipersonenhaushalten nachgefragt werden, für die die Lage am Wohnungsmarkt insgesamt schwierig ist. Dadurch entwickelte sich eine soziale Mischung aus angestammten, älteren Mietparteien, Saisonarbeitskräften, z. T. Obdachlosen und geflüchteten Familien. Gleichzeitig stieg der Leerstand.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Die Gesamtmaßnahme "Eschhofsiedlung" wurde 2015 in das Programm Sozialer Zusammenhalt (ehemals Soziale Stadt) aufgenommen. Trotz der Missstände war der Gemeinde bewusst, dass die Siedlung aufgrund der zentralen Lage in Lemwerder und des guten Arbeitsplatzangebots durch die naheliegende Werft und landwirtschaftlichen Betriebe, ein wichtiges Potential für die lokale Wohnraumversorgung bietet. In Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Landgesellschaft mbH (NGL) wurde zunächst die Sanierung des Siedlungskerns begonnen. Ziel sind eine komplette Modernisierung des Kerngebiets innerhalb von zehn Jahren und die Erhaltung und Schaffung von preiswerten und altersgerechten Wohnraum. Dabei soll der städtebauliche Charakter der Siedlung und der Wohngebäude aufrechterhalten werden.

Neben der Sanierung des Kerngebiets von Lemwerder, stand vor allem der Fokus auf der Ausbesserung des barrierefreien Wohnangebots. In den Bestandsgebäuden, welche zum Großteil aus den 1930er Jahren stammen, ist eine barrierefreie Gestaltung allerdings nur im begrenzten Maß umsetzbar. Um jedoch der wachsenden Nachfrage nach altersgerechten Wohnungen nachzukommen, werden einige Gebäude abgerissen und vollständig neugebaut. Insgesamt sollen dadurch 20 barrierefreie Wohnungen in Neubauten entstehen. Zudem werden die Grundrisse der neuen Wohnungen vergrößert, da durch einen Anstieg an Familiennachzügen von Geflüchteten zunehmend größere Wohnungen gefragt sind.

Das Bild zeigt ein gelbes Haus, welches mit einem Schild als Eschhoftreff in Lemwerder gekennzeichnet ist. Das Bild zeigt ein gelbes Haus, welches mit einem Schild als Eschhoftreff in Lemwerder gekennzeichnet ist. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Benjamin Pritzkuleit Ein gelbes Haus, welches mit einem Schild als Eschhoftreff in Lemwerder gekennzeichnet ist

Bei den Vorbereitenden Untersuchungen wurde deutlich, dass auch sozialintegrative Maßnahmen im Rahmen der Gesamtmaßnahme für eine Aufwertung des Quartiers notwendig sind. Das Thema der Integration von Geflüchteten stellt einen fundamentalen Bestandteil der Lemwerder Quartiersentwicklung dar. Die mit den Jahren eingetretene Vernachlässigung und die veränderte soziale Struktur in der Siedlung führten dazu, dass die Alteingesessenen dem Projekt vorerst mit Skepsis begegneten. Durch eine Mitarbeiterin der Johanniter, die als Quartiersmanagerin agierte, und einem großen sozialen Angebot, wie beispielsweise "Beratung in Nachbarschaftsfragen" oder "Beratung zur Integration", konnte das Misstrauen schrittweise abgebaut werden. Mit dem Voranschreiten des Projekts wuchs die bürgerschaftliche Partizipation. Insbesondere die Familien von Geflüchteten artikulierten ihre Wünsche deutlicher. Weiteres Vertrauen in der Bewohnerschaft konnte durch die aufkommende Sichtbarkeit der Modernisierung und mit Hilfe von Besichtigungen von sanierten Wohnungen zunehmend geschaffen werden.

Meilensteine

  • 2013: Gründung der Eschhof GmbH (Beteiligung der Gemeinde Lemwerder zu 90 Prozent und der Wohnungsbaugesellschaft Wesermarsch mbH zu 10 Prozent); Verwaltung und Kauf der Eschhofsiedlung
  • 2014: Beginn der Erarbeitung von „Vorbereitenden Untersuchungen“ gem. § 141 BauGB; umfassende Aufnahme der städtebaulichen Missstände und Darstellung der Handlungsansätze zur Minderung
  • 2015: Aufnahme in das Städtebauförderprogramm Sozialer Zusammenhalt (ehem. Soziale Stadt) zur Stabilisierung der Siedlung als innerörtliches Wohngebiet
  • 2016: Start des Quartiersmanagements in der Eschhofsiedlung
  • 2017: Start der sozialen Angebote durch das Quartiersmanagement; Bezug der ersten sanierten Häuser; Erstellung eines städtebaulichen Rahmenkonzepts und eines energetischen Quartierskonzepts für das Gebiet
  • 2018: Gründung eines Anliegerbeirates

Besondere Aspekte der Quartiersentwicklung

Damit die umfangreichen Sanierungsarbeiten in der Eschhofsiedlung möglichst umfassend und effektiv durchgeführt werden konnten und um den preiswerten Wohnraum zu sichern, gründete die Gemeinde Lemwerder gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft Wesermarsch mbH das Unternehmen Eschhof GmbH mit dem Zweck, den überwiegenden Teil der Wohnsiedlung "Eschhofsiedlung" aufzukaufen und die Missstände strukturell aufzuarbeiten.
Nicht alle Wohnungen konnten von der Kommune erworben werden, weshalb die Einbindung von Privateigentümerinnen und -eigentümern zur lückenlosen Sanierung der Siedlung von besonderer Bedeutung ist. Zur Unterstützung der Planung und der Umsetzung von privaten Sanierungen, wurden mit ihnen beratende Einzelgespräche geführt.

Lernerfahrung

Das Praxisbeispiel Eschhofsiedlung in Lemwerder zeigt, dass im gesamtstädtischen Vergleich auch im ländlichen Raum Gemeinden sowohl baulich als auch sozialintegrativ vor größeren Herausforderungen stehen. Durch Vernachlässigung und ungenügendes Belegungsmanagement entwickelte sich die Eschhofsiedlung mit ihrem für die Region wichtigen Wohnangebot zunehmend zu einem sozial benachteiligten Quartier mit steigendem Leerstand. Das Engagement der Gemeinde hat durch die Gründung einer GmbH und den Kauf der verwahrlosten Häuser eine Wende eingeleitet. Mit einem integrierten Ansatz zur Einbeziehung der altansässigen Bevölkerung konnten sowohl Strukturen aufgebaut als auch die Bewohnerschaft in den Prozess eingebunden werden. Dieser positive Impuls kam nicht zuletzt aus dem Rathaus und wird von der Bürgermeisterin auch durch Präsenz und Offenheit im Prozess weiterhin gestärkt. Durch die erfahrene Quartiersmanagerin wurden neue Angebote und vor allem ein Treffpunkt im Quartier etabliert. Wichtig für den Erfolg der Maßnehmen ist nicht zuletzt die Einbeziehung der Einzeleigentümerinnen und -eigentümer in den Prozess, um Skepsis und Überforderung bezüglich Finanzierungs- und Umsetzungsaspekten vorzubeugen.