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Das Bild zeigt einen Park mit einem kleinen von Steinen umsäumten Garten. Quelle:Stadt Münster/Stadtplanungsamt

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Sozialer Zusammenhalt , Datum: 14.04.2021

Quartiersmanagement Kinderhaus-Brüningheide, Münster

Brüningheide ist ein dichtbesiedeltes Wohngebiet aus den 1970er Jahren in Kinderhaus-West im Norden von Münster. In den bis zu 12-geschossigen Hochhäusern lebt ein hoher Anteil an Haushalten überwiegend mit Migrationsvorgeschichte. Von Beginn der Förderperiode Sozialer Zusammenhalt (ehem. Soziale Stadt) an wurden bereits bestehende Strukturen genutzt und das Thema dauerhafte Verstetigung mitgedacht. Dabei wurde ein Quartiersmanagement ohne neue Personalkosten kreiert. So konnten bereits bestehende Kontakte zur Quartiersbewohnerschaft genutzt und die kommunikative Komponente des Quartiersmanagements deutlich herausgestellt werden. Durch die Teilnahme an dem Städtebauförderprogramm wurde auch der Zugang zu anderen Fördermitteln erleichtert (z. B. Wohnungsbauförderung). Insgesamt hat sich die Zufriedenheit der Menschen im Quartier Brüningheide durch die Maßnahmen aus dem Programm Sozialer Zusammenhalt und die Verstetigungsmaßnahmen ab 2011 erhöht, wie die jeweiligen Jahresberichte zeigen.

Eckdaten

Land

Nordrhein-Westfalen

Bevölkerung (Gemeinde)

315.293

Gebietsgröße

15,4 Hektar

Bundesfinanzhilfen

3,404 Millionen Euro (2007-2010)

Gebietstypus

Großwohnsiedlung, randstädtisches Wohngebiet

Schwerpunktthemen

  • Soziale Infrastruktur
  • Daseinsvorsorge

Instrumente

  • Quartiersmanagement
  • Verstetigung

Kontext

Das Bild zeigt den neu gestalteten Sprickmannplatz mit Bänken und Bäumen. Das Bild zeigt den neu gestalteten Sprickmannplatz mit Bänken und Bäumen. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Stadt Münster/Stadtplanungsamt Der neu gestaltete Sprickmannplatz

Die Siedlung Brüningheide im Stadtteil Kinderhaus, außerhalb der Kernstadt von Münster, entstand in den 1970er Jahren als verdichteter Geschosswohnungsbau mit 1.100 Wohnungen und ca. 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern mit etwa 60 Nationalitäten (Migrationsanteil 65-70 Prozent). Die damals moderne Baustruktur verursachte in den Folgejahren zunehmend Probleme, die mit den bereits durchgeführten Sanierungs- und Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen nur teilweise ausgeräumt werden konnten. Die Altersstruktur ist vergleichsweise jung (viele Großfamilien). Der Siedlungstyp Großwohnsiedlung bedingt eine hohe Bevölkerungsdichte, einzelne Familien haben zusätzlich Geflüchtete aufgenommen. Der Anteil der Kinderarmut ist einer der höchsten in Münster (in Münster lag der Anteil der Kinder im SGB-II-Bezug 2017 bei 16,5 Prozent und damit 5,9 Prozent über dem westdeutschen Bundesdurchschnitt). Der Anteil von Personen mit Bezug von Grundsicherungsleistungen liegt deutlich über dem gesamtstädtischen Durchschnitt.
Einzelne Gebäudeblöcke sind sanierungsbedürftig und die Hemmschwelle auf Seiten der Mietenden, die eigenen Interessen gegenüber den Vermietenden durchzusetzen, ist hoch. Zudem kommt es immer wieder zu Leerständen in den Ladenlokalen am Spickmannplatz, die die fußläufige Versorgungssituation im Wohngebiet und die Attraktivität des kleinen Versorgungszentrums an dem zentralen Platz im Gebiet erheblich beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang ist auch die Gestaltung des öffentlichen Raums weiter zu verbessern.

Beschreibung der Gesamtmaßnahme

Ziele der Aktivitäten im Quartier Brüningheide im Rahmen des Programms Sozialer Zusammenhalt waren neben den Verbesserungen im Hinblick auf die Wohn- und Wohnumfeldsituation und der Imageverbesserung v. a. die Förderung der Integration unterschiedlicher Gruppen in dem vergleichsweise kleinen Wohngebiet sowie die Stärkung der Bildungschancen für Kinder und Jugendliche im Quartier.
In Brüningheide wurden inhaltlich sich ergänzende Teilprojekte durchgeführt. Ein eher kleiner Anteil der Aufwendungen wurde für die energetische Gebäudesanierung und die Marktanpassung des Gebäudebestandes verwendet. Ein größerer Bestandteil war die Verbesserung des öffentlichen Raums u. a. durch die Errichtung einer Spiel- und Freizeitzone. Wichtige Bestandteile stellten zudem die Integrationsarbeit vor Ort sowie das Thema Bildung (u. a. die Stärkung der Elternkompetenz oder die Etablierung von Stadtteilmüttern in Kindertageseinrichtungen) dar. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Programms betrifft den Bereich soziale Sicherung. Hier werden u. a. die Beteiligung von Menschen mit Migrationsvorgeschichte sowie die integrative Jugendsozialarbeit, die Stärkung von Sport und Bewegung sowie die Drogenprävention vorangetrieben.

Das Bild zeigt einen Platz vor einem Supermarkt und im Hintergrund das Mehrfamilienhaus. Das Bild zeigt einen Platz vor einem Supermarkt und im Hintergrund das Mehrfamilienhaus. (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Quelle: Stadt Münster/Stadtplanungsamt Eindrücke aus dem Quartier Brüningheide nach Durchführung der Maßnahmen


Zur Erreichung der Ziele liegt der Schwerpunkt der Gesamtmaßnahme auf dem Quartiersmanagement bzw. den Gebietsmoderatorinnen und -moderatoren (Quartiersmoderation). Diese sind in dem Programm Sozialer Zusammenhalt ehrenamtlich tätige Personen, die hauptberuflich in oder für das Quartier tätig sind. Die jeweiligen Dienststellen (Jugendamt, Bezirksverwaltung, Kita, Begegnungszentrum, Arbeitsloseninitiative) haben den Gebietsmoderatorinnen und -moderatoren für die koordinierenden und kommunikativen Aufgaben Zeitressourcen eingeräumt.
Mit dem neu geschaffenen Begriff der Gebietsmoderation sollte auch verdeutlicht werden, dass ein Schwerpunkt der Aufgabe im kommunikativen Bereich mit der Bevölkerung liegt.

Meilensteine

  • 2006: Aufnahme des Quartiers Kinderhaus-Brüningheide in das Programm der Sozialer Zusammenhalt (ehemals Soziale Stadt)
  • 2007: Benennung von Gebietsmoderatoren und -moderatorinnen
  • 2007-2010: Umsetzung von über 30 Projekte in 8 Handlungsfeldern
  • 2009: Programmverlängerung bis 2010
  • 2011: Beginn der Verstätigungsphase I (kommunale Förderung, noch befristet)
  • 2011-2013: Umsetzung von über 20 Projekten zur Verstetigung der Ansätze im Programm
  • 2014: Entschlackung der Binnenorganisation
  • 2014: Beginn der Verstetigungsphase II (kommunale Förderung, unbefristet)

Besondere Aspekte der Quartiersentwicklung

Insgesamt bestand bei der Umsetzung des Programms in Brüningheide die Notwendigkeit, mit den finanziellen Ressourcen sparsam umzugehen. Es war also wichtig, eine Konstruktion zu entwickeln, die auch dauerhaft nicht abhängig von externen Förderungen ist. Die Gebietsmoderation bildet daher neben den Angeboten der im Programmgebiet bestehenden Institutionen (insbesondere des Begegnungszentrums Kinderhaus und der Kinderhauser Arbeitsloseninitiative) – gemeinsam ein Quartiersmanagement, das sich ohne externe Finanzierung durch das Programm trägt.
Voraussetzung für die Wahrnehmung der Aufgabe der Gebietsmoderation war deren jeweilige professionelle Einbettung und bereits bestehende gute Kontakte in die Nachbarschaft. Die persönliche/mündliche Kommunikation spielen eine wichtige Rolle in dem vergleichsweise kleinen Gebiet, da sich zuvor schriftliche Kommunikation wie z. B. Flyer etc. als wenig zielführend erwiesen hat (u. a. durch die Vielzahl an Nationalitäten und Muttersprachen im Gebiet, die v. a. in der direkten Ansprache über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren deutlich besser erreichbar sind). Die Gebietsmoderation hat damit eine Brückenfunktion in die Nachbarschaft und verstärkt somit auch die jeweils eigene Arbeit.
Zu den monatlichen Treffen der Gebietsmoderatorinnen und -moderatoren zur Abstimmung der Themen und Aufgaben kommt ein jährlicher Workshop mit allen Projektdurchführenden hinzu, der zur Reflexion und Selbstevaluation dient. Während der Förderphase gab es über den jährlichen Workshop hinaus zweimal pro Jahr eine Sitzung des Beirats „Soziale Stadt“, in dem sich die Gebietsmoderation, die Projektmitwirkenden sowie Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen im Rat sowie der Bezirksvertretung Münster-Nord über Arbeitsschwerpunkte und die Weiterentwicklung des Programms ausgetauscht haben. Zu den Aufgaben des Beirats gehörten auch Entscheidungen über das Budget und die Finanzierung der weiteren Projekte.
Während der Förderphase und der Verstetigung sind auch Kooperationen zwischen der Stadt und den Wohnungsunternehmen sowie mit Vereinen (z. B. Sportverein SC Westfalia) angebahnt und verstetigt worden.
Viele Aktivitäten sind auf kleinere Projekte im öffentlichen Raum und soziale Themen ausgerichtet. Ein Beispiel ist ein Künstlerprojekt mit Kindern, bei dem ein Heuschreckendenkmal geschaffen wurde, das im öffentlichen Raum vor einem der nicht modernisierten Wohngebäude eines überregionalen Wohnungsunternehmens aufgestellt wurde. Durch die Gebietsmoderation standen Wohnungsunternehmen nun auch stärker im öffentlichen Fokus. Durch diese öffentliche Thematisierung wurden Anstrengungen der Unternehmen unternommen, die Situation zu verbessern. Weitere Beispiele für konkrete Projekte und Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung sind die mit Hilfe von bürgerschaftlichem Engagement gemeinsam entwickelte und gepflegte Grünschleife und Schulungen für Bevölkerung zum Mietrecht.
Die Verstetigung nach Auslaufen des Programms 2011 war schon von Beginn an vorgesehen. Aktivitäten aus der Förderphase konnten weitestgehend durch ehrenamtliches Engagement und geringere finanzielle Unterstützung verstetigt werden (z. B. Pflege der Grünschleife), außerdem durch die dauerhafte Einrichtung von Personalstellen bei einzelnen verstetigten Projekten (u. a. Schulsozialarbeit) und mithilfe eines ohne Befristung bereit gestellten kommunal finanzierten Budgets zur Fortsetzung der Kernprojekte. Die Gebietsmoderation verfügt nach Auslaufen der staatlichen Förderung weiterhin über einen stiftungsfinanzierten Quartiersfonds. Die Binnenorganisation wurde ab 2014 verschlankt; neben der nach wie vor aktiven Gebietsmoderation kennzeichnen der jährliche Reflexions- und Evaluationsworkshop, die teilsystematisierte Kommunikation zwischen den Einzelprojekten und der jährliche Bericht mit dem Schwerpunkt "Zielerreichung" wichtige organisatorische Elemente der Durchführung des weiterhin integrierten, d. h. träger- und handlungsfeldübergreifenden Programms. Wichtig für die Verstetigung ist, dass die Aktivitäten bei den Beteiligten vor Ort eingebettet sind und dass eine systematische Selbstevaluation sowie regelmäßige Treffen der Beteiligten stattfinden.

Lernerfahrung

Das Praxisbeispiel Brüningheide in Münster zeigt, dass mit einem kommunikativen Ansatz, der stark gebietsbezogen funktioniert, deutliche Verbesserungen im Wohnumfeld und in der Bewohnerzufriedenheit erreicht werden können. Das Beispiel verdeutlicht, dass es für die Übertragbarkeit eines solchen Ansatzes bestimmter Voraussetzungen bedarf, u. a. eine vor Ort geeignete Gemeinwesenarbeit und weitere Einrichtungen, die mitwirken.
Darüber hinaus ist ein zentraler Erfolgsfaktor eine sehr gute und intensive Verankerung der Gebietsmoderation in der Verwaltung. Wichtig für das Gelingen des Projektes war zudem die Wahl von Personen, die ohnehin im Programmgebiet tätig waren bzw. sind, wodurch diese in ihrer Rolle zusätzlich gestärkt wurden bzw. werden.
Grenzen dieses Arrangements der Quartiersmoderation geraten jedoch insbesondere dort in Sichtweite, wo mit Ansprache, Kommunikation, Aktivierung und Vernetzung keine Erfolge erzielt werden können, sondern andere (z. B. juristische) Mittel und investive Maßnahmen erforderlich sind.