Navigation und Serviceinhalte

Zu sehen ist das KaffeePartner-Verwaltungsgebäude am Hafen. Quelle:Sören Münzer, Trancerapid Photography

Typ: Praxisbeispiel , Datum: Wachstum und nachhaltige Erneuerung , Datum: 11.10.2021

Konversion ehemaliger Militärflächen Osnabrück – Hafen, Westerberg und Dodesheide

Die Stadt Osnabrück liegt im Südwesten Niedersachsens und ist in ihrer jüngeren Historie und in ihrem Stadtbild geprägt durch die ehemaligen Kasernenstandorte und Wohnquartiere der britischen Armee. Nachdem 2006 die Entscheidung fiel, den größten Garnisonsstandort außerhalb Großbritanniens zu schließen, stand die Stadt Osnabrück vor der Herausforderung, über 160 ha Konversionsflächen einer neuen Nutzung zuzuführen. Diese gesamtstädtische Aufgabe wurde in einem systematischen Planungsprozess mit starker Öffentlichkeitsbeteiligung unter dem Titel "KonVisionen" 2007 eingeleitet und hat seit dieser Zeit zu vielfältigen Erfolgen geführt. Zügig stellten sich Umnutzungsfortschritte in den Konversionsmaßnahmen Hafen und Westerberg ein. Das letzte freie und gleichzeitig größte Kasernenareal Dodesheide hat die Stadt Osnabrück im August 2018 erworben. Hier wurde 2019 mit der Konversion begonnen. Mit der Erschließung von Gewerbe- und Freiflächen auf dem Areal ab 2023 wird der Prozess der Militärkonversion in Osnabrück abgeschlossen sein.

Eckdaten

Land

Niedersachsen

Bevölkerung (Gemeinde)

rund 169.000

Gebietsgröße

circa 62 Hektar (Hafen)
circa 37 Hektar (Westerberg)
circa 99 Hektar (Dodesheide)

Bundesfinanzhilfen

circa 1,7 Millionen Euro bis 2019 (Hafen)
circa 1 Million Euro bis 2019 (Westerberg)
circa 1 Million Euro ab 2020 sowie circa 2,7 Millionen Euro bis 2019 (Dodesheide)

Gebietstypus

Militärbrache

Schwerpunktthemen

  • Öffentlicher Raum
  • Konversion als gesamtstädtische Aufgabe
    Intensiver Beteiligungsprozess
    Umgang mit kurzfristigen flächenpotenzialen
    Zwischennutzung mit Weitsicht

Instrumente

  • Bürgerbeteiligung
  • Öffentlichkeitsarbeit
    Kooperation mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
    Perspektivplan Konversion
    Städtebauliche Wettbewerbe

Kontext

Mit der Übergabe der letzten Kasernenfläche an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) im März 2009 standen im Stadtgebiet von Osnabrück insgesamt sechs Kasernenareale mit einer Gesamtfläche von etwa 160 ha für neue Entwicklungen zur Verfügung. Die gesamtstädtische Aufgabe bestand nun darin, die vormals für die Öffentlichkeit unzugänglichen Kasernenareale für zivile Nutzungen zu öffnen und konzeptionell in das Stadtgefüge einzubinden. Die Lagequalitäten der sechs ehemaligen Kasernenstandorte sind dabei sehr unterschiedlich. So liegen die Kaserne Am Limberg in Dodesheide und die Kaserne an der Landwehrstraße eher am Stadtrand, während die Winkelhausenkaserne im Hafen und die Scharnhorst-, Metzer- und Von-Stein-Kaserne zentrumsnah verortet sind. Hinzu kamen ca. 1.350 Wohnungen außerhalb der Kasernenareale, die im Stadtgebiet auf unterschiedliche Standorte im Stadtgebiet verteilt sind. Auf den bereits umgestalteten Kasernenarealen hat sich eine Funktionsmischung mit jeweiliger Profilbildung bewährt. Neben einem neuen Wirtschaftsstandort (Hafen) und einem Wohn- und Wissenschaftsareal (Westerberg) werden im letzten Baustein auf dem Kasernenareal Dodesheide die Funktionen Freizeit und Gewerbe eine große Rolle spielen. Die steigende Nachfrage nach Potentialflächen kommt dabei dem Konversionsprozess zugute. So erfordert die seit 2009 insgesamt positive Bevölkerungsentwicklung in Osnabrück eine Ausweitung des Wohnungsangebotes und der Gewerbe- und Freizeitflächen.

Maßnahmenbeschreibung und -umsetzung

Die Prozesskoordination wurde in der Startphase direkt beim Oberbürgermeister angesiedelt. Als ausführendes Organ wurde zudem eine Projektgruppe Konversion im Fachbereich Städtebau mit vier Mitarbeitenden eingerichtet. Ab Ende 2007 wurde ein umfangreicher Planungs- und Beteiligungsprozess unter Einbindung der Öffentlichkeit und von Fachleuten eingeleitet, bei dem der "Perspektivplan Konversion" entwickelt wurde. Dieser bildete die Grundlage für die weiteren Entwicklungen und teilräumlichen Konkretisierungen.

Den Ankauf eines Großteils der Flächen im Hafen und in Westerberg sowie Rückbau, Altlastenbeseitigung und Erschließung tätigte die Energieservice Osnabrück GmbH (ESOS), eine 100%ige Tochterfirma der Stadtwerke Osnabrück als Zwischenerwerberin. Das Areal der ehemaligen Kaserne Am Limberg in Dodesheide wurde 2018 von der Stadt Osnabrück und der Osnabrücker Beteiligungs- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (OBG) durch die Zahlung eines symbolischen Euro von der BImA übernommen. Die Konversion wurde an allen Standorten durch das Programm Stadtumbau unterstützt. Im Stadtteil Westerberg konnte die Stadtumbaumaßnahme bereits abgeschlossen und die Gebietskulisse im Jahr 2017 durch Ratsbeschluss aufgehoben werden. Die Aufhebung des Konversionsgebietes Hafen folgte im April 2020. Zur Fortsetzung des begonnenen Transformationsprozesses wurde das Konversionsgebiet Dodesheide in das neue Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ im Jahr 2020 überführt. Durch die von Beginn des Konversionsprozesses an enge Kooperation zwischen Stadt und BImA, war die Anwendung des Sanierungs- oder Entwicklungsrechts nicht erforderlich. Die Fördergebiete wurden daher nach § 171b BauGB als Stadtumbaugebiete festgelegt.

Meilensteine des Projekts

  • 2006 Bekanntgabe des Abzugs der britischen Streitkräfte
  • 2007 Projektausschuss Konversion, Beschluss Konzept Öffentlichkeitsbeteiligung
  • 2008 Übergabe der Kasernen an der Landwehrstraße, der Scharnhorst Kaserne und Winkelhausenkaserne an die BImA, Erarbeitung "Perspektivplan Konversion", Aufnahme des Konversionsstandortes Hafen in das Programm Stadtumbau West
  • 2009 Aufnahme Konversionsstandort Westerberg in das Programm Stadtumbau, Übergabe der Von-Stein-Kaserne und der Kaserne Am Limberg an die BImA, Weitergabe der Von-Stein-Kaserne an das Land Niedersachsen, Städtebaulicher Realisierungswettbewerb Winkelhausenkaserne
  • 2010 Kooperatives städtebaulich-freiraumplanerisches Gutachterverfahren für den "Wissenschafts- und Wohnpark" Scharnhorstkaserne
  • 2011 Abbruch von Gebäuden auf dem ehemaligen Scharnhorstkasernenareal
  • 2012 Grundsteinlegung InnovationsCentrum Osnabrück (ICO) und Fertigstellung Wohnpark am Westerberg, Eröffnung KaffeePartner-Verwaltungsgebäude und Grünzug am Hafen, Bebauungs- und Erschließungskonzept ehemalige Kaserne Am Limberg
  • 2013 Beginn des Umbaus ehemaliger Mannschaftsunterkünfte am Hafen, Aufnahme Kaserne Am Limberg in das Programm Stadtumbau West
  • 2013 Konversion Hafen: Fertigstellung Grünzug und Parkflächen, interne Erschließung, Einzug Polizeidienststelle in die Winkelhausen-Kaserne
  • 2014 Konversion Hafen: Bezug durch Einrichtungen des Landes Niedersachsen, Konversion Westerberg: Eröffnung ICO
  • 2017 Konversion Hafen: Ausbau Römereschstraße, Aufwertung Grünzug entlang der Nette
  • 2018 Konversion Dodesheide: Ankauf Kasernengelände "Am Limberg" durch die Stadt Osnabrück und die OBG
  • 2019 Konversion Dodesheide: Beginn des Abbruchs der Exerzierplätze, Panzerhallen und Werkstätten
  • Ab 2023 Konversion Dodesheide: Vermarktung der entstehenden Gewerbeflächen durch städtische Wirtschaftsförderung

Besondere Aspekte des Konversionsprozesses

Einen besonderen Erfolgsfaktor stellt die frühzeitige und kontinuierliche Beteiligung der Stadtbevölkerung dar. So wurde bereits zu Beginn gemeinsam der "Perspektivplan Konversion" erarbeitet und die Beteiligung bei allen teilräumlichen Konkretisierungen der Konzeptionen (u.a. Erarbeitung von Perspektivplänen für einzelne Kasernenareale, städtebauliche Wettbewerbe) fortgesetzt. Eine Website begleitet das Vorhaben seit 2007 und es wurden öffentliche Begehungen der Kasernenareale und Aktionstage durchgeführt.

Temporäre Nutzungen für Events, Kultur- oder Sporteinrichtungen lenkten die Aufmerksamkeit auf die ehemaligen Militärareale. Der zwei Jahre nach Beginn des Konversionsprozesses eingeführte Begriff "KonVisionen" nahm die Osnabrücker Bürgerschaft mit, die tiefgreifenden Veränderungen durch den Abzug der britischen Streitkräfte auch als Chance für die Stadtentwicklung zu begreifen. Die dialog- und öffentlichkeitsorientierte Vorgehensweise wird in Dodesheide durch das sogenannte Baubüro fortgesetzt, einer zentralen Anlaufstelle vor Ort, bei der sich Interessierte über die Entwicklungen auf dem Areal informieren können.

Obwohl sich ein breites Interesse an den ehemaligen Militärstandorten entwickelt hat, konnten angesichts ihrer Vielzahl und Größe nicht alle Flächen binnen kurzer Zeit vermarktet werden. Um die Flächen dennoch zu beleben, setzte die Stadt Osnabrück gemeinsam mit der BImA auf Zwischennutzungen. Dabei wurde und wird besonders darauf geachtet, dass diese den im Perspektivplan erarbeiteten dauerhaften Nachnutzungsvorstellungen ähnlich sind oder diese befördern.

Lernerfahrungen

Der noch laufende "KonVisionen"-Prozess in Osnabrück zeigt, dass es möglich ist, zahlreiche Brachflächen und leerstehende Gebäude wiederzubeleben, in bestehende funktionale und städtebauliche Strukturen zu integrieren und damit neue Entwicklungsimpulse auszulösen.

Die Umsetzung gelang zwischenzeitlich sehr beispielhaft bei der Wiedernutzung von 720 ehemaligen Offizierswohnungen. Unterschiedliche Veräußerungsverfahren sorgten für eine nachhaltige Mischung: Während ein Teil der Wohnungen in einem reinen Angebotsverfahren an den Markt gebracht wurde, ist ein weiterer Teil der Bestände über ein Festpreisverfahren veräußert worden, bei dem vorab festgelegte soziale Kriterien über den Zuschlag entschieden.

Auch die Stadt Osnabrück profitiert von den allgemeinen Reurbanisierungstendenzen, der die meisten deutschen Großstädte in der letzten Dekade erfasst hat. Die Trendwende von der langjährigen Stagnation zum Wachstum erleichterte es der Stadt grundsätzlich, die Flächenpotenziale der Militärkonversion zur Attraktivitätssteigerung der Stadt zu nutzen. Das Ausmaß der Wechselwirkungen zwischen Bevölkerungswachstum und erfolgreicher Erschließung der Flächenpotentiale ist ohne vertiefende Untersuchungen allerdings nur schwer zu erfassen. Die Dynamik des Konversionsprozesses hat in den letzten Jahren abgenommen, da bereits ein hoher Umsetzungsstand erreicht wurde. In einem über zehn Jahre andauernden Prozess kann es zu einer Verschiebung der gesamtstädtischen Schwerpunkte kommen. Umso wichtiger sind kontinuierliche Anpassungen an aktuelle und künftige Entwicklungen, um den Konversionsprozess in den nächsten Jahren zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.